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Der Hexenschwur: Roman (German Edition)

Der Hexenschwur: Roman (German Edition)

Titel: Der Hexenschwur: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deana Zinßmeister
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innehalten, bis es endlich auf allen vieren im Gang stand.
    Zuerst war es von der Helligkeit, die dort herrschte, geblendet, sodass seine Augen tränten und schmerzten. Es hatte sich hingesetzt und schützend die Hände auf die Augen gepresst. Nachdem es sich an das ungewohnte Licht gewöhnt hatte, schaute es aufgeregt um sich und wusste nicht, wohin es sollte. Als es ein Geräusch aus einem Raum hörte, hatte es sich mit den Füßen vorgezogen und war auf dem Hosenboden dorthin gerutscht. Und da stand sie.
    »Mutr«, flüsterte das Kind, und als sie nicht antwortete, rief es laut: »Mutr!«
    Doch die Frau hatte nur geschrien, als sie es sah.
    Seitdem war das Kind in seinem Verlies angekettet. Schluchzend zerrte es erneut an der Kette, als es ungewohnte Laute hörte. Es schaute nach oben zu der Wandöffnung in Höhe der Decke, durch die schwaches Licht in den düsteren Keller fiel. Von dorther kam der Ton. So weit es die Fesseln zuließen, kroch das Kind zu der Wand mit der Öffnung. Aufgeregt hob es den Blick nach oben und lauschte. Wieder hörte es diese Laute, die ihm gefielen, und sein verweintes Gesichtchen entspannte sich. Mit seinen schmutzigen Fingern wischte es sich die Tränen fort und spitzte den Mund. Angestrengt formte das Kind die Lippen, bis es den Laut nachahmen konnte und ein schwaches »Piep!« zu hören war.
    Karoline saß am Tisch in der Küche und schnitt ein Leinentuch in handbreite Streifen. Anschließend rollte sie diese zusammen und legte sie zur Seite. Sie nahm den Tiegel mit dem Schmalz vom Regal und füllte einen Löffel davon in ein kleineres Gefäß. Dann ging sie in den Vorratsraum, wo sie an einem Balken kleine Sträuße Schafgarbe vom letzten Sommer an ihren Stängeln aufgehängt hatte. Karoline schnitt einige der weißen Blüten ab und ging zurück zum Herd, um die Stauden in Wasser aufzukochen.
    Während Karoline wartete, bis das Wasser siedete, erinnerte sie sich, wie der Wechselbalg vor einigen Tagen hier gesessen hatte. Sofort schlug ihr Herz bis zum Hals. Als sie das Grunzen in ihrer Küche gehört hatte, glaubte sie zuerst in Ohnmacht fallen zu müssen. Doch sie schrie so laut, dass ihr Mann Jodokus in den Raum gestürmt kam. Er hatte sich schützend vor sie gestellt und den erstbesten Gegenstand ergriffen, mit dem er das Dämonenkind schlagen wollte.
    Der Balg heulte jämmerlich auf und hielt sich abwehrend den Arm vors Gesicht. Dabei schaute er verängstigt zu Karoline, die sich hinter ihrem Mann versteckt hielt. Flehentlich streckte das Kind ihr seine Händchen entgegen. Als Karoline diese Geste und den angstvollen Blick in seinen blauen Augen sah, krampfte sich ihr Herz zusammen. Plötzlich schob sich ein Bild vor ihre Augen, das sie tief in der Erinnerung vergraben glaubte. Sie musste an einen Vorfall in ihrer Kindheit denken, als ihr Bruder Johann sie ebenso angsterfüllt angesehen hatte. Diesen Blick würde sie nie vergessen können. Sie war ein kleines Mädchen gewesen und hatte in der Stube mit Johann gesessen, als ihr Vater hereingestürmt kam und ihren Bruder anschrie. Johann hatte vergessen, den Stall zu schließen, was den Vater so erzürnte, dass er ihn vor den Augen seiner Schwester mit der Hundepeitsche züchtigte.
    Nun hatte das Dämonenkind sie so angesehen und so aufgeheult wie einst Johann. Karoline glaubte die Schreie ihres gepeinigten Bruders zu hören. Sie hielt sich die Ohren zu. Im selben Augenblick hob ihr Mann das Teigholz in die Höhe, um es auf den Wechselbalg niedersausen zu lassen. Ohne zu überlegen stellte sie sich zwischen den Balg und Jodokus und wehrte das Holz ab. »Nein!«, schrie sie und hielt den Arm ihres Mannes fest.
    Ungläubig starrte Jodokus sie an. »Was soll das?«, brüllte er und wollte sie zur Seite stoßen, wobei er zornig rief: »Ich mache dem Ganzen ein Ende und erschlage diesen Krüppel – hier und jetzt!«
    Karoline umfasste das Teigholz und heulte: »Das darfst du nicht! Dann werden die Dämonen auch unseren Michael töten.«
    »Versteh endlich, Frau! Wir werden unser Kind niemals wiedersehen. Der Wechselbalg wird auf ewig an uns und wir an ihn gefesselt sein.«
    Karoline gab nicht auf. Doch erst als sie Jodokus schluchzend anflehte, den Balg zu verschonen, ließ er das Teigholz sinken.
    Kraftlos hatte sich ihr Mann an den Tisch gesetzt und angewidert das Wesen angestarrt, das weinend auf dem Boden kauerte. »Wie ist diese Missgeburt hier heraufgekommen?«, fragte er grimmig.
    Karoline hatte zuerst mit den Schultern

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