Der Hexenschwur: Roman (German Edition)
gezuckt, dann aber kleinlaut gesagt: »Wahrscheinlich habe ich vergessen, die Kellertür abzusperren.«
Jodokus hatte schimpfen wollen, doch dann nur geseufzt und erklärt: »Damit das nicht noch einmal geschieht, werde ich den Balg anketten.«
Das Wasser kochte, und Karoline gab die Schafgarbenblüten dazu. Bereits nach wenigen Augenblicken waren sie eingeweicht, sodass sie sie mit einem Schöpflöffel wieder herausfischen konnte. Sie nahm die Leinenstreifen und das Töpfchen mit Schmalz und zog den Schlüssel an dem Band aus ihrem Ausschnitt. Karoline holte tief Luft und ging zur Kellertür.
Das Kind hörte, dass der Schlüssel oben an der Treppe im Schloss herumgedreht wurde. Traurig kroch es zurück auf sein Strohlager. Die Kette klirrte leise, als es sich ängstlich dicht an die Wand presste und wartete. Die Furcht, dass der böse Mann kommen könnte, ließ das Kind zittern. Doch dann sah es den grünen Rocksaum der Frau, und aus seinem Gesichtchen schwand die Furcht. Das Kind rutschte in die Mitte seines Lagers und schaute der Frau erwartungsvoll entgegen.
Karoline hatte das leise Rasseln bereits auf der Treppe vernommen. Sie wusste, dass das Festketten die beste Lösung war, damit der Balg ihr nicht wieder zu nahe kam. Auch wollte sie nicht, dass er noch einmal die Gelegenheit ausnutzen konnte, wenn sie die Tür offen ließe. Nicht auszudenken, wenn Fremde das verkrüppelte Wesen zu Gesicht bekommen würden, dachte Karoline und schämte sich sogleich für den abfälligen Gedanken. Zum ersten Mal, seit der Wechselbalg bei ihr lebte, dachte sie darüber nach, ob er womöglich seine Eltern vermisste. Sie verwarf den Gedanken sogleich wieder, denn Karoline glaubte fest daran, dass Dämonen keine Gefühle hatten. Allerdings konnte sie nicht leugnen, dass in ihrem Innern ein Kampf tobte. Seit das Dämonenkind sie an ihren Bruder Johann erinnert hatte, grübelte sie unentwegt.
Langsam stieg sie mit dem Schmalztöpfchen und den Leinenbinden in ihren Händen die Treppe hinunter. Es dauerte einige Augenblicke, bis sich ihre Augen an das schummrige Licht gewöhnt hatten, doch dann erblickte sie das Dämonenkind auf dem Strohlager. Sie stellte die Sachen auf dem dreibeinigen Schemel ab und sah das Wesen an. Karoline stutzte, denn sein Gesichtchen zeigte keine Angst, sondern schien ohne Scheu. Es zeigte sogar ein verzagtes Lächeln, sodass sie seine fauligen Zahnstummel erkennen konnte. Als sie hörte, wie der Balg erneut leise »Mutr« grunzte, wollte sie ihn wie so oft zuvor anschnauzen. Aber in diesem Augenblick zeigte sein dünnes Ärmchen zu dem Luftloch an der Decke, und so fragte sie stattdessen unwirsch:
»Was ist dort?«
Während ihm Sabber aus den Mundwinkeln lief, krabbelte der Balg dicht an die Wandseite mit der Öffnung an der Decke heran, bis die Kette stramm gespannt war. Erneut zeigte sein dünnes Ärmchen nach oben. Karoline lauschte. Plötzlich drang das fröhliche Piepen eines Vogels an ihr Ohr, und der Balg quietschte.
»Mutr«, flüsterte er, und als sie sich ihm zuwandte, formten seine Lippen ein leises »Piep! Piep!«.
Karolines Augen weiteten sich vor Erstaunen. Der grunzende Dämonenbalg ahmte das Zwitschern eines Vogels nach! Oder hatte sie sich verhört? Als sie ihn prüfend ansah, kroch er, durch ihren Blick verschreckt, zurück auf sein Lager. Doch dann zeigte er erneut zu der Öffnung.
»Mutr«, flüsterte er grunzend und sang sogleich erneut: »Piep! Piep!«
Karoline stemmte die Hände in die Hüften und blickte den Balg böse an. »So weit kommt es noch«, schimpfte sie. »Wegen dir werde ich mich nicht mit quälenden Gedanken belasten.« Sie drehte sich abrupt um und kletterte die Treppe hinauf, als ihr Blick auf die Leinenbinden und das Schmalztöpfchen fiel. »Ich wollte deine Wunden versorgen«, seufzte sie und stieg die Stufen wieder hinab.
• Kapitel 18 •
Arne war bis tief in den Wald vorgedrungen, doch nun standen die Bäume so dicht zusammen, dass es kein Weiterkommen gab. Leise befahl er seinem Pferd, stehen zu bleiben, und stieg ab. Er schlang die Zügel des Wallachs um einen kräftigen Ast und lockerte den Bauchgurt. Danach löste er die Schlaufe, mit der er einen Beutel am Sattel festgebunden hatte, und klemmte den Stoff unter seinem Hosengürtel fest. Als das Schlachtross verhalten schnaubte, klopfte Arne ihm beruhigend an den Hals. »Sei brav, mein Alter! Ich komme bald zurück«, versprach er.
Mit beiden Händen strich er sich sein schulterlanges blondes Haar
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