Der Hexenschwur: Roman (German Edition)
Wechselbalg. Hässlich anzusehen mit vom Weinen feuerrotem Gesicht und Ärmchen und Beinchen, die krumm, verzerrt und verdreht schienen.«
»Jesus und Maria«, flüsterte die Kräftige und schlug ihre rissige Hand gegen den Mund.
»Ein Wechselbalg«, nickte die Grauhaarige, und ihre hellblauen Augen wurden feucht.
»Ein Alptraum!«, flüsterte die Schwangere und legte ihre Hände schützend um den gewölbten Leib.
»Ein Wechselbalg?«, fragte das Weib des Witwers. »Ich habe noch nie ein solches Kind gesehen. Woher kam es?«
»Dämonen haben ihr eigenes hässliches Kind gegen das zarte und schöne Menschenkind ausgetauscht und es mitgenommen«, antwortete mit zitternder Stimme die Bauersfrau.
»Aber warum?«, fragte die andere, und auch ihre Stimme bebte.
»Der Wechselbalg ist ein unschönes Kind. Es ist ein Nimmersatt, der ständig Hunger hat. Er schreit und brüllt den lieben langen Tag, dass man ihn erwürgen möchte. Trotz des vielen Essens wächst er kaum und bleibt kleinwüchsig. Seine Gliedmaßen sind verkrüppelt, sodass er weder aufrecht stehen noch gehen kann. Auch lernt er nicht fehlerlos sprechen, sondern grunzt wie ein Tier.« Düster senkte Josefine ihre Stimme. »Warum, frage ich dich, sollen die Dämonen ein solches Kind aufziehen, wenn sie es gegen ein schönes und gesundes Menschenkind austauschen können?«
»Jesus und Maria«, stöhnte das Weib des Witwers. »Wie furchtbar! Aber was hatte die Hebamme damit zu tun?«
Die drei Frauen blickten sich verschwörerisch an und schwiegen. Erst als Tine bettelte: »Nun sagt schon!«, trat die Bäuerin einen Schritt auf sie zu und flüsterte:
»Die Hebamme hat den Dämonen verraten, welches Kind das schönste ist im Dorf. Und sie hat ihnen geholfen, es auszutauschen.«
»Woher wollt ihr das wissen?«, fragte die Frau ungläubig.
»Die Kammer des Kindes war mit dem Geruch der Hebamme gefüllt.«
Die kräftige Frau runzelte die Stirn. »Wie riecht eine Hebamme? Riecht sie wie die Kräuter, die sie sammelt?«
Die Bäuerin blickte die Frau düster an und zischte: »Sie riecht wie der Schwefel des Teufels!«
Nun wurde das Weib des Witwers kreidebleich. »Nur gut, dass man sie verbrannt hat. So kann sie nicht als Untote zurückkehren und ihr Unwesen treiben«, stammelte sie und konnte doch Zweifel nicht unterdrücken. »Ich verstehe immer noch nicht, was es mit dem Ungeziefer auf sich hat.« Sie rieb sich fröstelnd über die Oberarme.
Die Bäuerin sog die Luft zwischen ihren schwarzen Zähnen ein und schüttelte sich. Mit scharfem Blick erklärte sie: »Es war die Mutter des gestohlenen Kindes, die die Hebamme der Hexerei bezichtigt hatte. Als man Berta verbrannte, verhängte sie gegen die Frau den Hexenschwur. Sie verfluchte und verdammte sie und schrie, dass sie fortan von Angst, Krankheit und Seuchen gezeichnet sein werde, dass Ungeziefer über sie und ihresgleichen kommen werde. Auch solle sie Hunger und Not leiden.«
»Jesus und Maria«, sagte das Weib erneut und bekreuzigte sich dreimal. »Ist alles eingetreten?«
Die übrigen Frauen blickten sich an und zuckten gleichzeitig mit den Schultern. »Seit jenem Tag wird die Frau im Dorf gemieden. Wir sprechen nur selten mit ihr, um nicht Unglück über uns selbst zu bringen. Die vom Schicksal hart getroffene Frau ist oft geistesabwesend. Der Hexenschwur hat sie verdammt, und es gibt keine Rettung für sie.«
»Die arme Frau! Und ihr Mann?«
»Er bewirtschaftet mit ihr den Hof. Manchmal sehe ich ihn beim Gottesdienst, dann steht er da und betet stumm zu unserem Heiland.«
Josefine nahm ihren Korb mit der nassen Wäsche auf und trat den Heimweg an. Auch die anderen Waschfrauen folgten ihr. Dabei lief das Wasser in feinen Rinnsalen am Geflecht der Weidenruten ihrer Körbe entlang und versickerte in der Kleidung der Frauen.
»Ich wasche erst wieder, wenn es wärmer ist. Von mir aus kann mein Alter in seiner schmutzigen Wäsche laufen, bis der Frühling kommt«, schimpfte Grete und wischte sich die kalten Wassertropfen von der Brust. Gemeinsam beschritten die vier Frauen den schmalen, glitschigen Weg, der nach oben zur Straße führte.
»Weiß sie, was aus ihrem prächtigen Kind geworden ist?«, fragte Tine und setzte achtsam einen Fuß vor den anderen, damit sie auf dem aufgeweichten Boden nicht ausrutschte.
Die Bäuerin schüttelte den Kopf. »Seit diesem Unglückstag ist ihr Sohn verschwunden. Das ganze Dorf hat damals nach ihm gesucht, aber nirgends eine Spur gefunden. Die Frau klammert
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