Der Hexenschwur: Roman (German Edition)
sich an die Hoffnung, dass die Dämonen eines Tages im Austausch gegen ihr eigenes Kind den Wechselbalg zurückfordern, wenn der Krüppel nur schlecht genug behandelt wird. Aber einerlei, was sie mit ihm anstellt, die Dämonen sind bislang nicht gekommen, ihn zu holen.«
Das Weib wurde hellhörig. »Was macht sie mit dem Dämonenkind?«
Mit einem Seitenblick streifte die Bäuerin die Grauhaarige, und diese antwortete: »Sie hat es in den Keller gesperrt, und nur sie hat den Schlüssel zu der Tür. Da meine Hütte ihrem Hof am nächsten steht, höre ich das Dämonenkind manchmal weinen. Keine Ahnung, was sie mit ihm macht, aber die Frau hat keine andere Wahl. Nur wenn sie den Krüppel schlecht behandelt und die Dämoneneltern seine Schreie hören, werden sie ihr eigenes Kind retten wollen und das Menschenkind zurückbringen.« Mit strengem Gesichtsausdruck erklärte sie: »So ein Wechselbalg muss leiden.«
»Ich glaube nicht, dass sie unmenschlich ist und den Balg quält. Dieser Tage habe ich gesehen, wie sie mit einem Korb voller Kräuter gegen Fieber und Erkältungen aus der Hütte der Kräuteranni kam«, schilderte Helene ihre Beobachtungen.
»Die können auch für sie selbst oder ihren Mann und nicht für das Kind gewesen sein«, warf die Bäuerin ein, doch die Schwangere schüttelte den Kopf.
»Sie sah gesund aus, und Männer kippen eher einen Selbstgebrannten, als dass sie einen Sud trinken«, lachte sie verhalten. »Nein, ich denke, dass der Wechselbalg kränkelt, denn es lagen Spitzwegerich und Baldrian im Korb. Das Kraut brühe auch ich meinen beiden Kindern auf, wenn sie Fieber und Halsschmerzen plagen. Welche Mutter wäre so herzlos und würde den Dämonenbalg sterben lassen, wenn sie nur durch Tausch ihr eigenes Kind zurückbekommen kann?«, flüsterte sie. Nachdenklich blieben die drei anderen Frauen stehen.
»Zum Glück musste ich mir nie solche Gedanken machen. Meine Kinder waren nicht so hübsch, dass Dämonen sie hätten entführen wollen«, lachte Grete und zeigte dabei ihren zahnlosen Mund.
Die drei anderen Frauen stimmten in das Gelächter ein. Dann ging jede ihres Weges.
• Kapitel 4 •
Clemens stand am Rand der Weide und schärfte mit fließenden Bewegungen die Sense. Seine Frau hatte ihn beauftragt, Brennnesseln zu schneiden, weil sie sich seit Tagen erschöpft und müde fühlte. Da dem Kraut eine aufmunternde Wirkung nachgesagt wurde, wollte sie einen Sud aufbrühen. Clemens hielt kurz inne und lächelte. Die Schwangerschaft war nun nicht mehr zu übersehen. Überglücklich erwarteten Christel und er ihr zweites Kind, nachdem sie beide bereits die Hoffnung aufgegeben hatten, nochmals Eltern zu werden.
Er prüfte mit dem Daumen die Schärfe des Sensenblattes und steckte zufrieden den Wetzstein in das Futteral, das an seinem Gürtel hing. Gleichmäßig schnitt er die Stängel der Brennnesseln dicht über dem Boden ab, als sein zehnjähriger Sohn aufgeregt auf ihn zurannte. Außer Atem blieb der Junge vor ihm stehen und stützte keuchend die Hände auf den Oberschenkeln ab.
»Ist etwas geschehen?«, fragte Clemens voller Sorge und wollte schon losstürmen, doch Georg schüttelte den Kopf.
»Nein«, japste er und versuchte zu lächeln. Der Knabe wies mit dem Zeigefinger hinüber zu dem Acker, auf dem sonst das Getreide wuchs. »Ich habe ein Rehkitz gefunden.«
»Ist es tot?«, fragte der Vater.
Georg verneinte.
»Ich hoffe, du hast es nicht angefasst.«
Georg schüttelte so heftig den Kopf, dass sein halblanges, dunkles Haar ihm ins Gesicht schlug. »Man darf Kitze nicht anfassen, weil die Mutter es sonst verstößt.«
Clemens streichelte dem Jungen über das Haupt. »Du bist ein schlauer Bursche und weißt, dass die Ricke Angst vor Menschengeruch hat«, lobte er ihn. »Jetzt nimm den Leinensack und sammle die Brennnesseln ein, damit es Mutter bald besser geht.«
»Die brennen!«, erklärte der Junge und hielt sich die Hände auf den Rücken.
»Mutter hat mir einen Handschuh mitgegeben. Damit spürst du das Brennen nicht.«
Georg nahm den Handschutz, der viel zu groß für seine kleine Hand war, und stülpte ihn über. Während er die Brennnesseln in den Sack stopfte, fragte er den Vater mit ernster Miene: »Wann wird das Kind auf die Welt kommen?«
»Wir schätzen, im Februar«, rechnete Clemens nach. »Freust du dich?«, wollte er wissen, während er weitermähte.
Der Junge zuckte mit den Schultern. »Der Schuster Peter hat jetzt die fünfte Schwester bekommen und ist
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