Der Hexer - GK567 - Als der Meister starb
ab.
»Es ist nicht meine Schuld«, schrie er wütend. Er spürte, wie die anderen ihn anstarrten, und ihre Blicke kamen ihm vor wie Messer, die tief in seine Brust schnitten. Niemand sprach es aus, aber der Vorwurf war überdeutlich.
»Ich kann nichts dafür«, sagte er noch einmal. »Ich war bei Andara, bevor ich zu euch kam, aber sie wollte nicht kämpfen. Wir vier hätten sie aufhalten können, aber allein bin ich machtlos.«
»Und die Macht?« flüsterte Marian. »Der Pakt, den wir geschlossen haben? Wozu haben wir euch unsere Seelen verpfändet, wenn wir jetzt doch sterben müssen?«
»Ich kann sie nicht aufhalten«, sagte Quenton hilflos. »Ihr wißt so gut wie ich, daß es Roderick war, der uns diese Fremden auf den Hals gehetzt hat! Er ist es, der euch tötet, nicht die dort draußen. Sie merken es nicht einmal!«
»Aber er ist nur einer, und ihr seid vier.«
»Das sind wir nicht«, murmelte Quenton. »Lyssa, Andara und Lennard ziehen es vor, zu sterben, statt sich zu wehren. Werft es mir nicht vor, wenn sie feige sind.«
»Aber du!« beharrte Marian. »Du hast die Macht, Quenton. Du bist ein Hexer wie sie! Du hast es oft genug bewiesen. Rette uns!«
»Ich kann es nicht«, sagte Quenton verzweifelt. »Ich kann nicht gegen Hunderte kämpfen!«
»Rette uns!« beharrte Marian. »Du hast es versprochen. Du ...«
Ein einzelner Schuß krachte. Aus der Wand neben Quentons Schulter ragten plötzlich verkohlte Holzsplitter, und zwischen Marians Brüsten erschien ein kleines, rundes Loch. Das Mädchen stieß einen fast überraschten, seufzenden Laut aus, starrte Quenton noch eine halbe Sekunde lang aus schreckgeweiteten Augen an und kippte langsam nach vorne.
Jemand schrie, und der Mann, der Quentons Platz am Fenster eingenommen hatte, erwiderte das Feuer. Plötzlich krachten überall Schüsse. Männer, Frauen und Kinder schrien durcheinander, als die Angreifer aus Dutzenden von Gewehren gleichzeitig das Feuer eröffneten. Quenton warf sich mit einem Fluch zur Seite, rollte herum, als der Mann am Fenster plötzlich zusammensackte und der Boden rings um ihn herum unter den Einschlägen von Geschossen zu explodieren schien, und war mit einer katzenhaften Bewegung wieder auf den Füßen. Wieder peitschten Schüsse, eine ganze Salve diesmal. Einer der Fensterläden platzte wie unter einem gewaltigen Hammerschlag auseinander. Irgend etwas biß heiß und schmerzhaft in Quentons Schulter, aber er spürte den Schmerz kaum.
Im Zickzack rannte er durch den Raum, warf sich mit weit vorgestreckten Armen nach der Leiter, die zum Heuboden hinaufführte, und bekam die unterste Stufe zu fassen. Das Brüllen und Johlen der Meute draußen wurde immer lauter; gleichzeitig nahm das Schießen ab. Offensichtlich glaubten sie, mit den ersten paar Salven den Widerstand der Verteidiger gebrochen zu haben und kamen nun näher heran. Ein wuchtiger Schlag traf die Tür. Einer der Männer riß sein Schrotgewehr an die Wange und schoß dicht hintereinander beide Läufe ab. Die Tür verschwand hinter einer Wolke explodierender Holzsplitter und Staub. Ein gellender Schrei drang von draußen herein, dann antwortete eine ganze Salve krachender Gewehrschüsse.
Quenton sah nicht mehr hin. So schnell er konnte, kletterte er die Leiter empor, zog sich mit einer letzten, verzweifelten Anstrengung auf den Heuboden hinauf und blieb eine Sekunde lang keuchend und mit geschlossenen Augen liegen, ehe er sich hochstemmte und auf Händen und Knien zu der offenstehenden Luke über dem Scheunentor kroch. Auch hier war einer der Männer postiert gewesen. Er war tot. Seine Hände umklammerten noch das Gewehr, mit dem er versucht hatte, sein Leben und das seiner Familie zu verteidigen.
Quenton kämpfte den ohnmächtigen Zorn, den der Anblick in ihm auslöste, nieder, schob den reglosen Körper zur Seite und näherte sich vorsichtig der Luke.
Der Anblick traf ihn wie ein Schlag. Es war nicht einmal zehn Minuten her, daß er in die Scheune gekommen war, aber er erkannte die Stadt nicht wieder.
Jerusalems Lot brannte. Die Hälfte der noch nicht einmal zwei Dutzend Gebäude, aus denen das Dorf bestand, stand lichterloh in Flammen, und die Straße glich einem Tollhaus. Überall lagen Menschen, viel mehr, als Jerusalems Lot überhaupt Einwohner hatte. Die Angreifer mußten sich in ihrer Raserei gegenseitig niedertrampeln.
Aber der Anblick erfüllte Quenton weder mit Zufriedenheit noch mit Triumph. Die aufgebrachte Menge dort unten bedeutete ihm nicht mehr
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