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Der Hexer - GK567 - Als der Meister starb

Der Hexer - GK567 - Als der Meister starb

Titel: Der Hexer - GK567 - Als der Meister starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
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sich wenigstens Mühe, sich nichts davon anmerken zu lassen.
    »Wir sind fast dreißig Seemeilen von der nächsten Küste entfernt«, antwortete er. »Dieser Nebel gefällt mir auch nicht, aber er ist nicht gefährlich. Nur lästig.« Er seufzte, trat an mir vorbei an die Reling und blickte aus zusammengekniffenen Augen in die wogenden grauen Schwaden hinaus. »Äußerst lästig«, fügte er hinzu. »Aber mehr auch nicht.«
    Ich schwieg. Es hätte tausend Fragen gegeben, die ich hätte stellen können, aber ich spürte, daß er nicht antworten würde, und so trat ich nur schweigend neben ihn und blickte wie er aufs Meer hinaus, nach Norden, wo unser Ziel lag. Es war etwas Beunruhigendes an diesem Nebel – wenn man lange genug hineinsah, begann man Gestalten zu erkennen: Gesichter und bizarre, seltsam verzerrte Körper, substanzlose Hände, die nach dem Schiff zu greifen schienen. Wäre dieser Nebel nicht gekommen, hätte die LADY OF THE MIST London fahrplanmäßig irgendwann während des nächsten Tages erreicht. Jetzt konnte es gut sein, daß wir eine weitere Nacht auf See verbringen mußten; vielleicht auch mehr, wenn der Nebel nicht wich.
    Aber ich hütete mich, irgend etwas von diesen Gedanken auszusprechen.
    Bannermann hätte mich wahrscheinlich für verrückt erklärt.
    »Wirklich, Mister Craven«, fuhr Bannermann fort, ohne mich dabei anzusehen. »Sie sollten unter Deck gehen. Sie können hier sowieso nichts tun – außer sich einen kräftigen Schnupfen einzufangen.« Er schwieg einen Moment und fuhr, leiser und mit deutlich veränderter Stimme, fort: »Und es wäre mir lieber, wenn jemand bei Mister Montague ist.« Er sah auf. Zwischen seinen buschigen grauen Brauen grub sich eine tiefe Falte ein. »Wie geht es ihm heute?«
    Ich antworte nicht sofort. Als ich Montague verlassen hatte – vor nahezu vier Stunden, noch vor Tagesanbruch
    – hatte er geschlafen. Er schlief sehr viel, und obwohl sich sein Zustand nicht besserte, wirkte er in den wenigen Stunden, die er wach war und mit mir oder Bannermann reden konnte, überraschend klar und von scharfem Verstand. Es war etwas Seltsames an diesem Mann.
    »Unverändert«, sagte ich nach einer Weile. »Das Fieber steigt nicht weiter, aber es geht auch nicht zurück. Es wird Zeit, daß wir ihn zu einem guten Arzt bringen.«
    Bannermann nickte. »Ich lasse sämtliche Segel setzen, sobald dieser verfluchte Nebel gewichen ist. In vierundzwanzig Stunden sind wir in London, und eine Stunde später ist er in einer Klinik.« Er lächelte mit einem Optimismus, den keiner von uns beiden wirklich noch empfand. »Sie werden sehen«, fügte er hinzu, »daß er in einer Woche wieder auf den Beinen und guter Dinge ist.« Er lächelte abermals, drehte sich mit einem Ruck um und bildete mit den Händen einen Trichter vor dem Mund, um irgendein Kommando über das Deck zu brüllen. Hoch oben in der Takelage reagierten ein paar seiner Matrosen darauf und begannen emsig hin und her zu kriechen. Ich wußte nicht, was sie taten, und es interessierte mich auch nicht. Die LADY OF THE MIST war das erste Schiff, auf das ich in meinem Leben einen Fuß gesetzt hatte, und es würde wahrscheinlich auch das letzte sein. Ich habe Schiffe nie gemocht, und das Meer mit seiner Weite und Einsamkeit flößte mir Furcht ein. Sicher – ich war dreitausend Meilen von meiner Heimat entfernt, und die einzige Möglichkeit, jemals dorthin zurückzukehren, war nun einmal ein Schiff. Aber ich war mir noch gar nicht so sicher, ob ich jemals wirklich nach Amerika zurückkehren würde.
    Ich verdrängte den Gedanken, sah Bannermann noch eine Zeitlang zu, wie er seine Matrosen über das Deck scheuchte, und wandte mich dann um. Die Kälte begann allmählich mehr als nur unangenehm zu werden, und ich verspürte ein verräterisches Kratzen im Hals. Bannermann hatte wohl recht – ich würde mich nur erkälten, wenn ich länger an Deck blieb. Aber unsere Kajüte war geheizt, und ein kräftiger Grog würde den Rest besorgen.
    Die ausgetretenen Stufen knarrten hörbar unter meinem Gewicht, als ich die kurze Holztreppe zum Deck hinabging. Das Geräusch erschien seltsam gedämpft, und wieder fiel mir die sonderbare Stille auf, die sich über dem Schiff ausgebreitet hatte. Ich blieb stehen, nickte einem vorübereilenden Matrosen grüßend zu und trat – ohne eigentlich so recht zu wissen, warum, – abermals an die Reling.
    Das Meer war verschwunden. Die verkrustete Bordwand der LADY OF THE MIST schien anderthalb Meter

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