Der Hexer - GK589 - Der Baumdämon
wie sie unter jeder einzelnen Silbe wie unter einem Hieb zusammenfuhr. Aber es mußte sein. Ich hatte keine Wahl, wenn ich Rowlfs Leben retten wollte.
»Bitte«, fügte ich, leiser und – ohne daß es mir im ersten Moment selbst zu Bewußtsein gekommen wäre – in fast flehendem Tonfall hinzu. »Ich tue es nicht gerne, aber einer meiner Freunde wird sterben, wenn Sie uns nicht helfen.«
Sie starrte mich an. In ihren Augen glitzerten Tränen, und ihre Finger verkrallten sich in einer unbewußten Bewegung in den dünnen Stoff ihres Kleides. Ihre Lippen zuckten. Sie blickte zu Boden, schluckte ein paarmal hintereinander, hart und krampfhaft, starrte ihre Tochter und dann wieder mich an und atmete hörbar ein. »Was wollen Sie?« fragte sie schließlich. »Ich kann Sie nicht verstecken, und ich habe keinen Wagen, den ich Ihnen geben könnte. Was wollen Sie von mir? Warum quälen Sie mich?«
»Das ... liegt nicht in meiner Absicht«, antwortete ich
ehrlich. Warum erschreckten mich ihre Worte so? »Ich wäre nicht hierher gekommen, wenn ich einen anderen Ausweg gewußt hätte, glauben Sie mir.«
Wieder schwieg sie einen Moment, und wieder blickten mich ihre Augen in einer Art an, daß es mir eisig den Rücken herablief.
»Ist ... ist es wahr, daß Sie den Hafen angezündet haben?« fragte sie plötzlich. »Sie und Ihre Freunde?«
»Ich?« Ihre Worte verwirrten mich so sehr, daß ich im ersten Moment unfähig war, zu antworten, sondern sie nur mit offenem Mund anstarrte. »Aber das ist doch Wahnsinn!« keuchte ich. »Wir –«
»Was sind Sie?« fragte Miß Winden. Plötzlich war sie ganz ruhig; von jener übertriebenen, fast verkrampften Gefaßtheit, hinter der sich mit aller Macht niedergehaltene Panik zu verbergen pflegt. »Was sind Sie?« fragte sie noch einmal, als ich nicht gleich antwortete. »Sie und Ihre Freunde?«
»Was sagt man denn, das wir sind?« fragte ich.
»Man sagt, Sie wären ein Hexer, Mister Craven«, antwortete Miß Winden ernst. »Man sagt, Sie wären mit dem Teufel im Bunde. Ist ... ist das wahr?«
»Unsinn«, schnappte ich, aber ich sah an der Reaktion auf ihrem Gesicht, daß es genau die falsche Antwort war, und fügte, so ruhig ich in diesem Moment konnte, hinzu: »Es ist nicht wahr, Miß Winden. Ich ... ich kann es Ihnen jetzt nicht erklären, aber wir sind weder mit dem Teufel noch mit sonstwem im Bunde. Der Brand am Hafen ist nicht unsere Schuld; im Gegenteil. Es waren ... es waren die Männer, die uns töten wollten. Sie haben Petroleum ins Wasser gegossen, um uns zu verbrennen. Der Brand hat sich ausgeweitet und auf das Hafengelände übergegriffen, aber es war nicht unsere Schuld.«
»Sie sind ein Hexer!« beharrte sie. Der Ausdruck der Furcht in ihren Augen wurde stärker. »Sie ... Seit Sie in die Stadt gekommen sind, ist das Unglück hier eingekehrt. Es sind –«
»Es sind sonderbare Dinge geschehen, ich weiß«, unterbrach ich sie. Ich versuchte zu lächeln – es mißlang
– ging, sehr langsam, um sie nicht noch mehr zu ängstigen und zu einer unbedachten Handlung hinzureißen, um das Bett herum und ließ mich auf seine Kante sinken. Sally bewegte im Schlaf den Kopf. Ich sah, daß ihre Haut fiebrig glänzte und ihre Lippen aufgesprungen und rissig waren; sie bot ein Bild des Jammers. Es war schwer vorstellbar, daß dieses unschuldige Kind noch vor Tagesfrist ein Ungeheuer in sich beherbergt hatte, das den Grenzen des Vorstellbaren schlichtweg spottete. Behutsam beugte ich mich vor und berührte ihre Stirn mit dem Handrücken. Ihre Haut war heiß. Aber es war sonderbar – fast im gleichen Augenblick, in dem meine Hand ihre Stirn berührte, hörte sie auf, sich im Schlaf hin und her zu werfen. Ihr Atem beruhigte sich, und die Augäpfel, die sich bisher hektisch hinter den geschlossenen Lidern hin und her bewegt hatten, kamen endlich zur Ruhe.
Miß Winden sog scharf die Luft ein. »Was ... was tun Sie mit ihr?« fragte sie mißtrauisch.
»Nichts«, antwortete ich. »Keine Sorge – ich habe weder vor, Sally etwas zuleide zu tun, noch sonst irgend einem Menschen. Glauben Sie mir – ich bin nicht ihr Feind. Im Gegenteil.«
Sie schluckte. Ihr Blick flackerte unstet.
»Ich weiß, was die Menschen hier über uns sagen«, sagte ich leise. »Und ich kann sie fast verstehen. Es sind ... sonderbare Dinge geschehen, seit wir nach Durness kamen. Und vielleicht ist es sogar unsere Schuld. Vielleicht hätten wir niemals hierherkommen dürfen.«
Fast eine Minute lang starrte mich
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