Der Hexer - NR04 - Bote vom Ende der Nacht
sich zu wehren. Aber Sie haben ihre schwarzen Killer ausgeschickt und sie umbringen lassen. Warum?«
»Warum?« Necron lachte meckernd. »Vielleicht, weil es mir Spaß macht«, sagte er. »Die Männer müssen im Training bleiben, weißt du, Craven? Und was kümmert es dich? Tornhill hätte dich eingesperrt, wenn das hier vorüber wäre. So oder so. Er war verrückt. Und gefährlich.«
»Aber er war ein Mensch!« begehrte ich auf. »Woher nehmen Sie sich das Recht, über das Leben anderer zu entscheiden. Sie Wahnsinniger!«
In Necrons Augen blitzte es auf. Aber zu meiner eigenen Überraschung blieb der erwartete Zornesausbruch aus. Er lächelte nur, trat auf mich zu und streckte abermals die Hand aus. »Das Buch!«
Diesmal gehorchte ich. Necron entriß mir das Paket, fetzte mit zitternden Fingern das Papier herunter und hielt das Buch mit beiden Händen in die Höhe. Seine Augen flammten.
»Das NECRONOMICON!« keuchte er. »Ich habe es wieder. Jetzt gibt es niemanden mehr, der sich mir noch entgegenstellen könnte. Niemanden!« Er lachte irr, preßte den riesigen Folianten wie einen Schatz an die Brust und blickte aus brennenden Augen von Howard zu mir und wieder zurück.
»Niemand!« wiederholte er. »Sie Narr haben ja nie gewußt, welchen Schatz Sie hatten! In diesem Buch steckt die Macht, das Universum zu erschüttern!«
Howard antwortete irgend etwas, aber ich verstand seine Worte nicht.
Denn in diesem Moment hörte ich die Stimme.
Wir kriegen dich, Robert Craven! kicherte sie. Du bist tot. Tot! Tot! Tot!
Ein lautloses Stöhnen kam über meine Lippen. Ich taumelte. Meine Knie gaben unter dem Gewicht meines Körpers nach. Ich tastete blindlings nach Halt, griff ins Leere und stürzte schwer.
Vor meinem geistigen Auge entstand ein Bild. Ich sah eine Tür, klein und niedrig, gezeichnet mit flimmernden Linien aus unheimlichem grünem Licht, und ich wußte, daß dahinter der Wahnsinn lauerte, das Ding aus meiner Seele, der Dämon mit Priscyllas Gesicht, der mich töten würde. Und ich spürte, daß er nahe war, ganz nahe...
Wir kriegen dich, Robert Craven! wisperte die Stimme. Eine verzerrte Fratze tauchte vor mir auf, und durch das rasende Hämmern meines Herzens glaubte ich ein dumpfes Knarren zu hören, als bewegte sich eine Tür in uralten rostigen Angeln...
Necron drehte sich mit einer abgehackten Bewegung herum. »Was bedeutet das, Craven?« schnappte er. »Wenn Sie einen Trick versuchen, töte ich Sie!«
»Er versucht keinen Trick«, sagte Howard. »Er ist krank. Schon lange.«
Ich hörte seine Stimme kaum. Hinter meiner Stirn gellte das böse Kinderlachen der Schimäre. Necrons Antlitz schien immer wieder zu zerfließen, und durch die grausamen Augen des alten Magiers grinste mich der Wahnsinn an.
»Krank?« Necron starrte Howard an. »Was fehlt ihm?«
»Was interessiert Sie das?« antwortete Howard. »Sie haben, was Sie wollten. Jetzt nehmen Sie Ihre Mörderbande und gehen Sie!«
Wir kriegen dich, Robert Craven! wisperte die Stimme. Du bist tot!
Necron zögerte. Ich begriff nicht, was Howards Worte bedeuteten, und ich begriff auch nicht, warum Necron mich nicht umbrachte. Irgend etwas mußte zwischen ihm und Howard vorgefallen sein, während meiner Abwesenheit.
Aber der Gedanke entglitt mir, als ich danach greifen wollte. Das Lachen der Schimäre wurde lauter. Wir kriegen dich! wisperte sie. Du bist tot!
Necron starrte noch einen endlosen Moment auf mich herab, dann fuhr er herum, klemmte sich das Buch unter den linken Arm und durchquerte mit raschen Schritten die Bibliothek.
Aber sein Ziel war nicht die Tür, sondern die monströse Standuhr in der Ecke. Er trat an das uralte Möbel heran, hob die freie rechte Hand und berührte die Tür.
Und im gleichen Moment, in dem sie mit einem hörbaren Knarren nach außen schwang, begriff ich. Aber es war zu spät.
Die Tür öffnete sich weiter, und ein unheimliches, flackerndes grünes Licht erfüllte die Bibliothek mit giftigem Schein. Necron schrie auf und prallte zurück, als sich die Uhr vollends geöffnet hatte.
Hinter der Tür stand die Schimäre.
* * *
Alles geschah gleichzeitig. Necron stieß ein markerschütterndes Brüllen aus und torkelte zurück, aber sein Schrei ging im irrsinnigen Kreischen der Alptraumgestalt unter. Das Ungeheuer sprang mit einem Satz aus der Uhr hervor und riß den Alten vom Berge von den Füßen.
Necron brüllte vor Schmerz. Zwei, drei Drachenkrieger stürzten herbei und versuchten das tobende Ungeheuer
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