Der Hexer - NR07 - Das Haus unter dem Meer
verunstaltet. Das, was hinter dem verwischenden Nebel wie grausige Buckel und pockennarbige Auswüchse ausgesehen hatte, waren Teile ihrer Kleidung; Fetzen, die von ihren verdreckten Körpern herabhingen, Säcke, die sie auf den Schultern oder den Rücken trugen.
Looskamp stöhnte. Manche der Kinder – es mußten an die dreißig sein, die mit wiegenden Schritten aus der Maueröffnung heraustraten und die Templer allmählich einzukreisen begannen – schleppten blanke Knochen mit sich herum.
Der Anblick war so furchtbar, daß wir die Gefahr, in der wir uns befanden, beinahe zu spät bemerkten!
Die Kinderarmee hatte uns eingekreist. Mit wiegenden, wie trunken erscheinenden Schritten waren sie nähergekommen, bis sie einen weit geschwungenen, an drei Seiten geschlossenen Dreiviertelkreis bildeten, in dessen Zentrum sich die Templer befanden.
Und plötzlich ging eine Veränderung mit ihnen vor sich. Sie blieben stehen, alle zugleich, wie auf ein geheimes, unhörbares Zeichen hin. Einige von ihnen schienen mich aus ihren erloschenen Augen direkt anzublicken, und auf ihren Gesichtern erschien plötzlich ein blödes, beinahe glückliches Lächeln.
Und dann blitzten Messer in ihren kleinen Händen auf.
Einer der Templer brüllte auf und taumelte zurück, beide Hände gegen, den Oberschenkel gepreßt. Aus seinem Bein ragte der Griff eines Dolches, den ihm eines der Kinder warnungslos ins Fleisch gestoßen hatte!
»Zurück!« schrie Looskamp. Gleichzeitig sprang er selbst zur Seite, wich einem Messer aus, mit dem eines der Kinder nach ihm hieb, und versetzte dem Knirps gleichzeitig eine schallende Ohrfeige, die ihn zurück und zu Boden taumeln ließ. Dicht neben ihm riß einer der Templer sein Schwert in die Höhe; Looskamp wirbelte herum, fiel dem Mann in den Arm und fing den Hieb im letzten Moment ab.
Der vielleicht zehnjährige Knabe, dem er damit das Leben gerettet hatte, dankte es ihm auf recht sonderbare Weise – in seinen Händen blitzte plötzlich ein langer Dolch auf, mit dem er auf Looskamp eindrang. Der Tempelherr fluchte, schlug dem Knaben die geballte Faust auf das Handgelenk und brach in die Knie, als ihn ein geschleuderter Stein an der Stirn traf.
Endlich erwachte auch ich aus meiner Erstarrung. Mit einem Satz war ich neben Ger, wehrte mit einem Arm die heranstürmende Kinderhorde ab und versuchte ihn mit dem anderen auf die Füße zu zerren.
Looskamp stöhnte. Seine rechte Augenbraue war aufgeplatzt; Blut lief in bizarren Linien über sein Gesicht, und seine Augen wirkten glasig. »Wir müssen... zurück«, murmelte er. »Keinen... Kampf. Es sind... Kinder.«
Ich nickte, richtete ihn ächzend auf und zog mich Schritt für Schritt zurück, während die Tempelritter bereits unter dem Ansturm der Kinderarmee zu wanken begann. Wie durch ein Wunder war bisher keiner von ihnen ernsthaft zu Schaden gekommen – ihre fast mannsgroßen Schilde schützten sie vor den immer dichter heransausenden Steinen und Wurfgeschossen und bildeten eine Barriere. Aber lange würden sie sich nicht mehr halten können, das sah ich. Immer wieder zuckte eine Klinge durch eine Lücke zwischen zwei Schilden, mogelte sich unter ihren Rändern hindurch und fügte den Männern Wunden zu.
Wahrscheinlich wäre es ein Leichtes für Looskamps Männer gewesen, die Angreifer niederzumachen. Und wahrscheinlich war ich nicht der einzige, der ahnte, daß unsere Gegner nur scheinbar Kinder waren; in Wahrheit waren es Labyrinthgeschöpfe, Kreaturen des Bösen, die die unsichtbare Monstrosität, die dieses Tunnelsystem beherrschte, erschaffen hatte, um uns ins Verderben zu stürzen, absichtlich in dieser äußeren Form, den Körpern unschuldiger Kinder, um unseren Widerstandswillen zu brechen; vielleicht auch nur, um uns zu quälen.
Und trotzdem hob nicht einer sein Schwert, um die Höllenkreaturen zu vernichten. Schritt für Schritt zogen sich die Templer zurück, bildeten einen immer dichter werdenden Kreis um mich und Looskamp und beschränkten sich darauf, mit ihren Schildern die geschleuderten Steine und Messer abzuwehren, so gut es ging.
Ich war froh, daß die Männer so und nicht anders reagierten. Ich wußte sehr wohl, daß wir Kreaturen der Hölle gegenüberstanden, aber meine Augen sagten mir das Gegenteil.
Looskamp fand endlich seine klare Besinnung wieder, streifte meinen helfenden Arm ab und nickte kurz und dankbar. Dann richtete er sich auf und rief seinen Männern mit hoch erhobener Stimme Befehle zu; Worte in einer
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