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Der Hexer - NR11 - Engel des Bösen

Der Hexer - NR11 - Engel des Bösen

Titel: Der Hexer - NR11 - Engel des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
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sterile Farbe ihrer Erscheinung.
    Eis.
    Das war alles, woran ich denken konnte. Sie war schön, unendlich schön, aber es war die Schönheit einer Statue, aus stahlhartem Eis geformt. Nichts in ihr lebte.
    »Ich muß zu ihr«, stammelte ich. Shadow wollte nach mir greifen, aber ich schlug ihre Hand beiseite, fuhr herum und rannte im Zickzack zwischen den Felsnadeln auf die Stelle zu, an der Lady Audley aufgeschlagen war.
    Ich wußte nicht, was ich erwartet hatte – einen zermalmten Körper, Blut, zersplitterte Knochen – aber ich war fast erleichtert, sie zu sehen.
    Sie lag mit dem Gesicht nach unten neben einem gut dreifach mannshohen Felspfeiler. Es sah aus, als schliefe sie nur.
    »Robert!« rief Shadow hinter mir her. »Komm zurück. Wir sind in Gefahr! Du kannst ihr nicht mehr helfen!«
    Ich ignorierte sie, überwand die letzten Meter mit zwei, drei hastigen Schritten und kniete neben ihr nieder. Meine Hände zitterten, als ich sie vorsichtig auf den Rücken drehte und warmes, klebriges Blut unter den Fingern fühlte.
    Lady Audley stieß einen leisen, wimmernden Laut aus und öffnete die Augen.
    Sie lebte!
    »Shadow!« schrie ich. »Komm hierher. Sie lebt!«
    Behutsam ließ ich Lady Audleys Oberkörper zurücksinken, zog nach kurzem Zögern die Jacke aus und knüllte sie zu einem Ball zusammen, den ich unter ihren Nacken schob. Lady Audleys Augen standen weit offen, aber sie waren trüb; sie sah mich nicht. Ein leises, qualvolles Wimmern kam über ihre aufgesprungenen Lippen, als ich ihren Arm berührte.
    Shadow langte neben mir an, kniete ebenfalls nieder und blickte ungläubig auf Lady Audleys blutüberströmtes Gesicht herunter. »Wie ist das möglich?« fragte sie fassungslos. »Kein Mensch kann diesen Sturz überleben!«
    Ich sah auf. Dunkles Blut glitzerte in breiten, schmierigen Streifen auf der schräg abfallenden Flanke der Felsnadel, an deren Fuß Lady Audley lag. Sie mußte schräg auf den Felsen geprallt und wie auf einer steinernen Rutsche daran herabgeglitten sein; das hatte die größte Wucht ihres Sturzes gebrochen.
    Ich beugte mich vor, riß einen Fetzen aus meinem Hemdsärmel und versuchte, das Blut aus ihrem Gesicht zu wischen. Sie war nicht einmal sehr stark verletzt – eine breite Platzwunde verunzierte ihre Stirn, und wie alle Kopfverletzungen hatte sie über die Maßen geblutet, aber ihr Schädel schien, soweit meine unkundigen Finger dies ertasten konnten, zumindest nicht verletzt zu sein.
    »Wir müssen fort, Robert«, drängte Shadow. »Sie werden wiederkommen.«
    Ich sah auf, blickte sie an, dann den gezackten Riß hoch oben in der Höhlendecke und dann wieder Shadow. »Wer sind sie?« fragte ich betont
    »Die grauen Herren«, antwortete Shadow bedrückt. »Shub-Nigguraths Kinder.«
    »Aber du hast gesagt –«
    »Ich weiß, was ich gesagt habe«, unterbrach sie mich, noch immer mit ihrer sanften, stets freundlich, klingenden Stimme, aber trotzdem hörbar ungeduldig. »Er selbst ist nicht hier. Ich würde es spüren, wäre er auch nur in der Nähe. Aber seine Kinder sind hier. Sie werden uns töten.«
    Ich verstand nichts mehr. »Die grauen Herren«, murmelte ich. »Du meinst... sie sind –«
    »Du kennst den zweiten Namen, den die ALTEN für Shub-Niggurath hatten?« fragte sie ernst.
    Ich nickte. »Die schreckliche schwarze Ziege mit den tausend Jungen.«
    »Dann weißt du jetzt auch, was er bedeutet«, murmelte sie. »Es sind die grauen Herren. Die Wesen, die du Ratten genannt hast. Er hat sich vermehrt, Robert. Millionenfach.«
    Ich schluckte ein paarmal, um den bitteren Geschmack loszuwerden, der plötzlich auf meiner Zunge lag. Verwirrt legte ich den Kopf in den Nacken und blinzelte nach oben. Bewegten sich die Ränder des Risses nicht? Zuckten und wogten sie nicht hin und her, als lebe die Erde dort oben? Plötzlich verspürte ich einen heftigen Anflug jenes unangenehmen Gefühls, das man manchmal hat, wenn man an Insekten und Krabbelgetier denkt. Einen Moment lang verspürte ich das fast unwiderstehliche Drängen, mich am ganzen Leib kratzen zu müssen.
    »Aber das ist doch unmöglich«, widersprach ich matt. »Es sind doch erst wenige Stunden, seit er erwacht ist.«
    »Was ist Zeit für einen GROSSEN ALTEN?« erwiderte Shadow geheimnisvoll. »Sie sind nicht wie ihr, Robert.« Sie sagte ganz deutlich: ihr. Nicht wir. »Ein Gedanke der GROSSEN währt ein Jahrtausend, und eine eurer Sekunden ist eine Ewigkeit für sie.«
    »Aber die Ratten haben dir doch geholfen!«

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