Der Hexer - NR12 - Im Land der GROSSEN ALTEN
eine riesige, ungeheuer machtvolle Aura und fügte sich dem Gesang und dem Sirren und Vibrieren des Gonges hinzu.
Plötzlich begann einer der Urmenschen wie von Sinnen zu schreien. Ich fuhr zusammen, wirbelte herum – und erstarrte.
Die Urmenschen hatten sich bis an den Rand der Felsnase zurückgedrängt und krümmten sich wie unter Hieben. Leise Schreie drangen an mein Ohr, und zwei oder drei von ihnen waren so weit an die Kante zurückgewichen, daß ich jeden Moment damit rechnete, sie abstürzen zu sehen. Aber das war es nicht, was mir schier den Atem stocken ließ und sich wie eine unsichtbare eisige Hand um mein Herz legte.
Eine der affenähnlichen Kreaturen hatte sich in die Luft gehoben und schwebte, wild mit den Beinen strampelnd und kreischend, eine Handbreit über dem Felsen!
Der Gesang der Magier wurde lauter. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie erneut diese flatternde, gleitende Bewegung durch ihre Reihen glitt, und im gleichen Moment schwebte der Affenmann ein Stück höher, begann sich dabei um seine eigene Achse zu drehen und glitt weiter in das Nichts über dem Lichtsee hinaus. Seine Schreie steigerten sich zu einem spitzen, überschnappenden Kreischen. Schneller und schneller begann er zu kreisen und trieb dabei weiter auf den Lichtsee hinaus und gleichzeitig in die Höhe.
Dann änderte sich etwas im Rhythmus der Bewegung hinter mir, gleichzeitig wurden der Gesang der Magier und das Hallen des Gongs härter, schneller und aggressiver. Der schwebende Körper des Affenmenschen zuckte wie unter einem Peitschenhieb, bäumte sich in seiner unsichtbaren Fessel auf und begann zu bluten.
Ich sah keine Wunde, keinerlei sichtbare Verletzungen, aber mit einem Male war die Luft rings um ihn erfüllt von rotem Nebel, Millionen und Abermillionen winziger blutiger Tränen, die in die Tiefe zu sinken begannen.
Sie erreichten das grüne Leuchten nicht. Auf halbem Wege, vielleicht zwanzig Yards unter dem unglückseligen Opfer, begann sich der rote Nebel zu sammeln und formte sich zu einer konkaven, nach unten gewölbten Scheibe von gut zehn Yards Durchmesser.
Wieder änderte sich etwas im Summen der Männer auf der Empore. Zuerst spürte ich den Unterschied nur, ohne ihn definieren zu können. Dann begann ich Worte aus dem monotonen Singsang herauszuhören.
»Thuuuuul«, summte die Menge. »Thuuuuul.«
Es dauerte eine Sekunde, bis ich die beiden Worte erkannte.
THUL SADUUN.
Die eisige Hand, die noch immer um mein Herz lag, drückte mit einem harten Ruck fester zu. Das Wort, das ich von Shadow gehört hatte, während ihres verzweifelten Kampfes mit Shub-Niggurath und später, ohne daß sie seine Bedeutung erklärt hätte.
»Thul!« summte die Menge, und plötzlich klang das Wort anders – härter, fordernder, nicht mehr wie eine Bitte oder wie ein Ruf, sondern wie ein Befehl. »Thul Saduun!« schrien die Magier. »Thul Saduun!« Immer und immer wieder.
Dann begann es tief unter uns im Herzen des grünen Leuchtens zu zucken. Etwas Großes, Rauchiges erschien in der wirbelnden Helligkeit und zerfloß wieder.
»Thul Saduun!« brüllten die Männer. »Thul Saduun! Thul Saduun! Thul Saduun!«
Ein zweiter Urmensch wurde von einer unsichtbaren Hand gepackt und in die Höhe gerissen, und wieder war die Luft voller Schreie.
»Thul Saduun!!« schrien die Magier.
»THUL SADUUN!«
Die unsichtbare Hand ergriff einen dritten Affenmann, dann einen vierten, fünften, sechsten, bis das ganze Dutzend der bedauernswerten Kreaturen über dem Lichtsee schwebte.
Der Spiegel aus Blut tief unter ihnen wurde fester, bis er wie eine glänzende Scheibe zwischen den Urmenschen und dem grünen Pfuhl schwebte, glänzend, massiv wie Stahl und rasend schnell um seine eigene Achse rotierend.
Und in der Tiefe bildeten sich Körper...
Wie beim ersten Mal waren sie nicht wirklich zu erkennen. Ein Teil des grünen Lichtes schien sich schwarz zu färben, bildete dunkle, sich auf unbeschreibliche Weise in sich selbst windende Schläuche, faserige Stränge rauchiger Schwärze. Tastend wie blinde schwarze Würmer griffen sie nach oben, immer wieder zerfließend, als wäre ihre Existenz auf dieser Ebene des Seins nicht wirklich genug, bis sie schließlich den Spiegel aus Blut berührten und den roten Nebel gierig in sich aufzunehmen begannen.
Mehr...
Es war kein Wort, kein gedanklicher Befehl, keine irgendwie geartete Form der Verständigung, wie ich sie jemals kennengelernt hatte, sondern ein Gefühl unbeschreiblicher, unstillbarer
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