Der Hexer - NR16 - Die Prophezeiung
besudelte mir dabei die Hände mit seinem Blut.
Als ich in sein Gesicht blickte, hätte ich um ein Haar aufgeschrien.
Er war tot, aber seine Kehle war nicht durchschnitten worden, wie ich bisher angenommen hatte. Was ich sah, waren nicht die Spuren eines Messers, sondern Wunden, wie sie nur furchtbare Raubtierfänge schlagen konnten. Schaudernd drehte ich mich in der Hocke um, löste das Schwert aus seinen schlaffen Fingern und hielt die Klinge ins Licht. Auf dem rasiermesserscharfen Stahl war nicht der kleinste Blutstropfen zu sehen. Der Drachenkrieger war nicht einmal dazu gekommen, sich zu wehren. Ich hatte Männer wie ihn im Kampf erlebt und wußte, wozu sie fähig waren. Ein Wesen, das einen solchen Krieger derart rasch und auf so furchtbare Weise zu töten vermochte, mußte zehnmal gefährlicher als ein Tiger sein.
Als ich an diesem Punkt meiner Überlegungen angekommen war, hörte ich Schritte. Gleichzeitig legte sich ein riesiger, verzerrter Schatten auf den Körper des Toten.
Mit einem Schrei wirbelte ich herum, sprang in die Höhe, hob gleichzeitig das Schwert – und brach die Bewegung im letzten Moment wieder ab, als ich den Mann erkannte, der hinter mir aufgetaucht war. »Bannermann!«
Der ehemalige Kapitän der LADY OF THE MIST nickte, lächelte auf die flüchtige unechte Art, in der man lächelt, um jemanden zu begrüßen, und wurde sofort wieder ernst. Sein Blick huschte über das bleiche Gesicht des Toten, glitt über die noch immer zum Schlag erhobene Klinge in meiner Hand und blieb auf meinem Gesicht haften.
Hastig senkte ich das Schwert und trat einen halben Schritt vom Leichnam des Drachenkriegers fort. »Verzeihen Sie«, sagte ich mit einer Kopfbewegung auf die beidseitig geschliffene Klinge. »Das... das galt nicht Ihnen. Ich bin ein wenig nervös.«
Bannermann schien meine Worte gar nicht zu hören. »Haben Sie ihn getötet?« fragte er leise.
Ich starrte ihn an, blickte dann erschrocken auf das Schwert in meiner Hand und meine blutigen Finger und ließ die Klinge hastig zu Boden fallen. »Nein«, sagte ich. »Er... er lag plötzlich da. Ich weiß nicht, wer ihn umgebracht hat. Ich weiß nicht einmal, wer er ist.«
Bannermann musterte mich noch einen Moment lang stirnrunzelnd, ging dann ohne ein weiteres Wort vor dem Toten in die Hocke und untersuchte mit kundigen Bewegungen die Wunde an seinem Hals. Als er fertig war, waren seine Finger ebenso blutbesudelt wie meine.
»Nein«, sagte Bannermann, nachdem er sich wieder aufgerichtet hatte. »Sie haben ihn nicht getötet. Das war kein Mensch.«
»Danke, daß Sie es mir bestätigen«, sagte ich, schärfer, als ich eigentlich beabsichtigt hatte. Aber Bannermanns Worte hatten mich mit einem Zorn erfüllt, den ich mir selbst nicht so recht zu erklären vermochte. Ich begann erst jetzt zu spüren, wie nervös ich war.
»Wo kommt dieser Mann her?« fragte Bannermann. »Er war nicht bei den Leuten, die heute morgen an Bord gekommen sind. Ich hätte ihn bemerkt.«
»Zum Teufel, das weiß ich nicht«, antwortete ich gereizt. »Ich weiß ja nicht einmal, wer –« Ich stockte, sah Bannermann einen Herzschlag lang beinahe mißtrauisch an und begann dann, in verändertem Tonfall, von neuem: »Wo kommen Sie überhaupt her, Bannermann? Was tun Sie an Bord dieses Schiffes?«
»Ich bin schon eine ganze Weile hier«, antwortete Bannermann eine Spur zu rasch. »Reden wir später darüber. Im Moment –« Er deutete auf den Toten. »– gibt es Wichtigeres. Wir müssen herausfinden, was ihn umgebracht hat. Und warum.« Er seufzte, kniete abermals neben dem Leichnam nieder und begann rasch und methodisch, seine Taschen zu durchsuchen. Seine Ausbeute war mager – der Krieger trug genug Waffen bei sich, um eine kleine Armee auszurüsten, aber das war auch schon alles. Bannermann schüttelte enttäuscht den Kopf und stand wieder auf. »Nichts.«
»Was haben Sie erwartet?« fragte ich spöttisch. »Einen Passport und eine gültige Schiffspassage, erster Klasse und Einzelkabine?«
»Nein«, antwortete Bannermann ungerührt. »Ein schriftlicher Marschbefehl von Necron hätte gereicht.«
Eine Sekunde lang starrte ich ihn nur an, und schon wieder stieg eine Woge heißen, vollkommen unbegründeten Zornes in mir empor. Dann senkte ich betreten den Blick.
»Verzeihen Sie, Bannermann«, sagte ich. »Ich bin nervös. Nehmen Sie mich nicht zu ernst.«
Bannermann winkte ab. »Schon gut, Craven. Dazu ist im Moment wirklich keine Zeit. Helfen Sie mir.«
Er
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