Der Hexer - NR27 - Todesvisionen
war aus seinem trügerischen Schlaf erwacht und regte sich nun, tastete mit unsichtbaren Fühlern in die Nacht, folgte dem Wind, der wüsteneinwärts wehte, suchte, forschte – und zog sich plötzlich mit solcher Hast wieder zurück, daß ich beinahe aufgeschrien hätte. Für einen Moment tanzten grelle Lichter vor meinen Augen. Mein Herz setzte einen Schlag aus, um dann mit doppelter Wucht weiterzupochen.
Und dann spürte ich die Panik tief in mir. Eine grundlose, wilde Angst, die für Sekunden mein Denken zu überschwemmen drohte. Angst vor... was?
Ich schloß die Augen und kämpfte die Schrecken in meiner Seele mühsam nieder. Allmählich beruhigte sich mein Herzschlag wieder, und das Zittern meiner Hände verschwand so rasch, wie es gekommen war.
Zurück blieb ein bitterer Geschmack von Furcht in meinem Herzen. Und vielleicht war gerade dies das Schlimmste...
Mit einem Ruck schlug ich die schwere Wolldecke beiseite und stand vollends auf. Die eisige Nachtluft betäubte meine Lungen, und schon nach wenigen Sekunden hatte sich die Kälte durch meine Kleidung gefressen und ließ mich frösteln.
Aber das bemerkte ich kaum. All meine Sinne waren auf das Ende der Schlucht gerichtet; dorthin, wo die Schatten zwischen den bizarren Felsen zurückblieben und das endlose, bleiche Meer der Wüste begann.
Und von wo der schreckliche Laut heranwehte...
Für einen Moment war ich versucht, meine Gefährten zu wecken, zumindest Bill, der leise schnarchend gleich neben meiner Lagerstätte schlief. Aber dann entsann ich mich der, indianischen Wache, die irgendwo in den Felsen auf Posten sein mußte.
Vorsichtig bewegte ich mich zwischen den zusammengerollten Gestalten hindurch, setzte mit einem Sprung über eines der erlöschenden Feuer hinweg und näherte mich dem Posten. Deutlich konnte ich seine Silhouette gegen den hellen Grund des Wüstensandes ausmachen; er hockte auf einem Felsen am Ende der Schlucht, eine Decke um seine Schultern geschlagen, und starrte hinaus in die endlose Weite.
»Heda, Freund – ich bin es«, raunte ich ihm halblaut zu, nur, um ihn auf mich aufmerksam zu machen. Ich wußte, daß er meine Sprache ebensowenig verstand wie ich die seine. Aber einen Indianer zu überraschen, noch dazu von hinten, konnte unangenehme Folgen mit sich bringen. Ein Messer in der Brust, zum Beispiel.
Doch der Mann reagierte nicht auf meine Worte. Auch als ich ihn erreicht hatte und die Hand auf seine Schulter legte, wandte er sich nicht um.
Irgend etwas stimmte nicht!
Alarmiert packte ich die Decke und zog sie ihm von den Schultern.
Ich hatte halbwegs erwartet, ihn bewußtlos oder gar tot zu finden, ermordet von der geheimnisvollen, magischen Macht, deren Anwesenheit ich so deutlich spürte.
Nichts von beidem traf zu. Der Indianer, ein hagerer Bursche mit Hakennase und scharf geschnittenen Zügen, lebte durchaus noch – und er war bei vollem Bewußtsein, wie mir seine weit aufgerissenen Augen zeigten. Sein Brustkorb, durch dessen Haut sich die Rippen überdeutlich abzeichneten, hob und senkte sich in gleichmäßigen Atemzügen.
Aber es war eine Haut so grau wie Stein – und ebenso hart!
Ich stöhnte vor Entsetzen und wich einen Schritt zurück. Instinktiv glitt meine Hand zu dem kleinen indianischen Dolch, den mir Sitting Bull im Berg der Götter geschenkt hatte und den ich seitdem im Gürtel trug.
Der Wächter reagierte mit keiner Bewegung. Sein Blick ging noch immer starr hinaus in eine unendliche Ferne. Und während ich ihn noch fassungslos betrachtete, begann sich etwas tief in diesen starren, dunklen Augen zu regen; ein Funke wie von Glut, pulsierend und immer größer und größer werdend.
Ich zog den Dolch unter dem Gürtel hervor und trat wieder an den Indianer heran – vorsichtig und mit angespannten Muskeln, in jeder Sekunde auf einen Angriff gefaßt.
Und trotzdem kam meine Reaktion zu spät! Die versteinerte Hand des Wächters zuckte vor und umschloß das Gelenk meiner Linken wie eine zuschnappende Bärenfalle.
Es war ein reiner Reflex – ich sprang zurück und bohrte die schlanke Klinge des Dolches mit aller Kraft in seinen Arm.
Wenigstens wollte ich es.
Der Stahl brach mit einem hellen, klirrenden Laut dicht unter dem Schaft ab und flog in hohem Bogen davon. Gleichzeitig riß mich der Indianer wieder zu sich heran, so daß ich gegen den Felsen prallte, auf dem er saß. Seine Hand umklammerte mein Gelenk mit stahlhartem Griff, und der Schmerz trieb mir Tränen in die Augen.
Sekundenlang
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