Der Hexer - NR27 - Todesvisionen
zugeben wollen«, sagte ich schließlich. In der absoluten Stille um uns herum klang meine Stimme überlaut, und sofort senkte ich sie instinktiv zu einem Flüstern herab. »Und Sie wissen mehr über diese Überfälle. Sie hegen einen Verdacht, wer hinter diesen Morden stecken könnte, habe ich recht?«
Sitting Bull regte keine Miene. Ich gab ihm eine volle Minute, bevor ich fortfuhr: »Als Miß Shadow... verschwand, haben Sie für mich Partei ergriffen, ohne Fragen zu stellen. Ich hatte den Eindruck, als wüßten Sie etwas.«
»Ich fühlte einen bösen Zauber«, erwiderte er nach Sekunden des Schweigens. »Ein mächtiger Zauber, viel stärker, als ich befürchtet habe. Ich werde sterben.«
Im ersten Augenblick begriff ich gar nicht, was er da gesagt hatte. Ich fuhr herum und starrte ihn fassungslos an. »Dann wissen Sie, wer sich hinter all dem verbirgt? Ich bitte Sie, Häuptling, vertrauen Sie sich mir an. Wir müssen uns verbünden, wenn wir –
Ich konnte mir die Worte sparen. Es hatte keinen Sinn; das erkannte ich im gleichen Moment, als ich in seine Augen blickte. Er wollte sich nicht helfen lassen, aus welchen Gründen auch immer. Sein Blick war hart und verschlossen. Fast war ich versucht, ihm das Geheimnis mit Hilfe meiner Macht zu entreißen, einfach in seinen Geist einzudringen und mir die Informationen zu holen, die ich brauchte.
Aber eben nur fast. Ich hätte sein Vertrauen eingebüßt, im gleichen Moment, in dem ich meine magischen Kräfte einsetzte.
Und ich hätte meine Selbstachtung verloren.
So schwieg ich, und einen Herzschlag später drehte Sitting Bull sich abrupt um und schritt zum Lager zurück.
Ich blieb stehen und versuchte, Ordnung in meine Gedanken zu bringen. Was hatte er damit gemeint: Er würde sterben... Ahnte er, daß Necrons Magie der seinen hoffnungslos überlegen war? Fühlte er sich schon jetzt besiegt, obwohl das letzte Gefecht noch nicht einmal begonnen hatte? Was war aus dem stolzen Häuptling geworden, als den ich ihn kennengelernt hatte?
Ein eisiges Frösteln riß mich aus meinen Gedanken. Die Temperatur war noch weiter gefallen, und klamme Kälte kroch durch meine leichte Kleidung und biß mit tausend gierigen Zähnen in meine Haut.
Ich rieb mir mit den Händen die Oberarme und wollte mich gerade umwenden und Sitting Bull folgen, als mir in der endlosen Monotonie der Wüstenlandschaft etwas auffiel.
Erst war es nur ein dunkler Fleck auf dem hellen Sand, nicht mehr als ein Schatten – aber ein Schatten, den es dort nicht geben durfte!
Wie ein formloser, finsterer Nebelhauch schien er über der Wüste zu schweben, pulsierend wie ein schlagendes Herz; unscheinbar und fast nicht zu erkennen, und doch auf eine unglaublich bedrohliche Art düster.
Und dann regte er sich, dehnte sich in einer hektischen, schnellen Bewegung aus – und zog sich im nächsten Moment wieder zusammen. Ich kniff die Augen zusammen und versuchte die Entfernung zu dem Ding abzuschätzen, aber es war unmöglich. Die Wüste verzerrte das Bild, und glaubte ich gerade noch, es nur einige Yards vor mir zu sehen, schien es im nächsten Augenblick wieder Meilen entfernt. Eines aber erkannte ich genau: Es kam näher. Rasend schnell.
Und im nächsten Moment reagierten meine magischen Sinne.
Es war wie ein körperlicher Schlag, der mein Gehirn traf und mich mit einem schmerzhaften Keuchen zusammenfahren ließ.
Das Ding war BÖSE. Aber es war nicht die Bosheit eines menschlichen Wesens, die wie eine Woge über mir zusammenschlug. Es war ein Instinkt animalischer Wildheit; der pure Wunsch zu töten.
Und Hunger. Eine unendliche Gier nach Leben.
Ich fuhr mit einem Schrei herum und begann wie von Sinnen zu laufen. Und kam doch kaum von der Stelle. Der weiche, nachgiebige Sand griff wie mit unsichtbaren Klauen nach meinen Schuhen und hielt sie gierig fest. Bei jedem Schritt sank ich bis zu den Knöcheln ein. Immer wieder stürzte ich, und die Entfernung zum Lager schien stetig anzuwachsen, anstatt daß sie kürzer wurde. Es war wie in einem schrecklichen Alptraum, in dem man einer Gefahr entfliehen will und sich nur unendlich langsam bewegen kann.
Auch Sitting Bull hatte erst die halbe Strecke zurückgelegt, als ich ihn einholte. Er blieb stehen und sah mir mit finsterem Blick entgegen. Dann wurde ihm klar, daß ich nicht etwa unser Gespräch fortfuhren wollte, und seine Züge nahmen einen fragenden Ausdruck an. Ich winkte hastig ab, noch ehe er den Mund öffnen konnte, und deutete zum Lager hinüber.
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