Der Hexer - NR30 - Buch der tausend Tode
Männern.«
»Und Priscylla?« keuchte ich. »Und Sitting Bull und Shadow? Was ist mit denen?«
»Nichts, Robert«, antwortete Shannon ernst. »Wir können nichts für sie tun. Weder für Priscylla noch für die beiden anderen. Nicht, solange Necron lebt.«
»Das ist vielleicht deine Meinung!« fuhr ich auf. »Ich werde hinaufgehen und –
»Und was?« unterbrach mich Shannon zornig. »Und dich umbringen lassen?« Er lachte, griff in seinen Gürtel und zog einen gekrümmten zweischneidigen Dolch hervor, den er mir, mit dem Griff voran, hinhielt. Verstört blickte ich die Waffe an.
»Was soll ich damit?« fragte ich.
»Dir die Kehle durchschneiden«, antwortete Shannon in vollkommen ernstem Tonfall. »Das geht schneller und ist weitaus angenehmer als das, was dich erwartet, wenn Necron dich noch einmal in die Finger bekommt. Denkst du, er weiß mittlerweile nicht, daß du geflohen bist? Er weiß sogar, daß du hier bist!«
»Oh«, antwortete ich böse. »Das ist es also. Du hast Angst, er könnte mich fangen und foltern, und ich könnte ihm verraten, was du vorhast.«
»Unsinn«, sagte Shannon ruhig. »Aber es wäre Selbstmord, dort hinaufzugehen. Du hast keine Chance, Necron allein zu besiegen.«
»Ich habe nichts dergleichen vor«, antwortete ich zornig. »Ich will Priscylla befreien, das ist alles.«
»Oh, mehr nicht?« Shannon verzog die Lippen. »Und du glaubst, er legt die Hände in den Schoß und sieht in aller Ruhe zu? Du –
»Shannon, bitte«, unterbrach ich ihn. »Ich muß es tun. Sitting Bull und Shadow haben ihre Leben riskiert, um mir zu helfen. Ich kann sie nicht einfach sterben lassen.«
»Sitting Bull ist nicht in Gefahr«, antwortete Shannon ruhig. »Und für Shadow kannst du ohnehin nichts mehr tun.«
»Aber sie lebt?«
»Sie lebt«, bestätigte Shannon. »Aber –
»Nichts, aber.« Ich schnitt ihm mit einer wütenden Geste das Wort ab. »Es tut mir leid, Shannon. Du verstehst das vielleicht nicht, aber ich bin es ihnen einfach schuldig, es zu versuchen.«
»Auch wenn es dein Leben kostet?«
»Auch dann«, erwiderte ich, und in diesem Moment war es wirklich die Wahrheit. Ich hätte mit dem Gedanken, die beiden ihrem Schicksal überlassen zu haben, nicht mehr weiterleben können. »Wenn du recht hast«, sagte ich mit einer Geste auf das grünleuchtende Amulett am Boden, »dann wird Necron in kurzer Zeit hier herunter kommen. Auch er kann nicht gleichzeitig an zwei verschiedenen Orten sein. Vielleicht kann ich Priscylla währenddessen befreien. Es muß eine Möglichkeit geben, sie aus dem Bann dieses verfluchten Buches zu reißen.«
»Du bist völlig verrückt«, sagte Shannon ruhig. »Was du da vorhast, ist glatter Selbstmord, Robert.«
Das Schlimme war, daß ich ihm insgeheim recht gab. Meine Aussichten, den Weg hinauf lebend zu überstehen, standen nicht sonderlich gut. Und selbst wenn es mir gelang, Necrons Killern zu entkommen und nicht in eine der zahllosen Fallen zu tappen, mit denen diese Burg gespickt war, standen meine Chancen, auch noch lebend wieder zurückzukommen, noch schlechter. Trotzdem schüttelte ich mit gespieltem Optimismus den Kopf.
»So wild wird es nicht kommen«, sagte ich. »Necron hat im Moment andere Sorgen, als nach mir zu suchen – hast du deine eigenen Worte vergessen?«
Shannon schwieg einen Moment. »Ich brauche dich, Robert«, sagte er schließlich, sehr leise und in fast flehendem Ton.
»Ich weiß«, antwortete ich ernst. »Und ich werde zurückkommen, so schnell ich nur kann. Das verspreche ich.«
Und damit drehte ich mich um und lief so schnell davon, daß es fast wie eine Flucht aussah.
Sehr viel weniger war es auch nicht.
* * *
Ich hatte mir den Weg hier hinunter nicht gemerkt – dazu war ich viel zu aufgeregt gewesen – aber ich wandte mich einfach immer nach oben, wenn ich an eine Abzweigung oder eine Treppe kam, und nach einer Weile glaubte ich hier und da eine bekannte Stelle zu sehen, eine absonderlich geformte Tür, eine seltsam schräg anmutende Treppe oder Rampe. Die sinnverdrehende Architektur der Drachenburg kam mir nur zugute, denn es gab praktisch keinen Quadratmeter, der einem anderen glich, und vieles war so bizarr, daß man es einfach nicht vergessen konnte.
Ich fand den Weg hinauf in Necrons Kerker erstaunlich schnell – und wäre um ein Haar gegen einen schwarzvermummten Drachenkrieger geprallt, der mit vor der Brust verschränkten Armen vor einer verschlossenen Zellentür Wache stand.
Ich weiß nicht, wer
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