Der Hexer - NR30 - Buch der tausend Tode
einer flammenden Lohe, wo Sand und Felsbrocken gegen den Stein prallten. Aber die Woge der Vernichtung endete schon nach wenigen Schritten, als gäbe es da eine unsichtbare, aber undurchdringliche gläserne Wand, die ihn und die beiden anderen schützte.
Balestrano verspürte einen raschen, eisigen Schauder, als er begriff, daß von Schmid und Hayworthy ihn vom ersten Augenblick an geschützt hatten. Der Sturm, der ihn gepackt und durch den Raum geschleudert hatte, hätte ihn auf der Stelle in Stücke gerissen, wären nicht die magischen Kräfte der beiden Master dagewesen, ihn vor dem Allerschlimmsten zu bewahren. So, wie sie auch jetzt einen unsichtbaren Schutzwall schufen, dem selbst die Gewalt des Sturmes nichts anzuhaben vermochte.
Und das, dachte Balestrano mit mattem Erschrecken, war etwas, was keiner von beiden können dürfte.
Aber als er aufsah und in von Schmids Augen blickte, war ihm nichts von dem Entsetzen anzumerken, das sich in ihm breitzumachen begann.
»Ich danke dir, Bruder Botho«, sagte er leise. »Du hast mir... das Leben gerettet.«
Von Schmid machte eine wegwerfende Handbewegung. »Unsinn. Was zur Hölle geht hier überhaupt vor?«
»André«, sagte Hayworthy zornig. »Dieser verdammte Narr! Das ist sein Werk!«
Und auch das dürftest du nicht wissen, mein Freund, dachte Balestrano. Aber er sprach es nicht aus.
Statt dessen stemmte er sich vorsichtig auf den unverletzten Arm hoch und begann ungeschickt auf die halb zusammengebrochene Südwand des Raumes zuzukriechen. Hayworthy und von Schmid folgten ihm, mit ausgestreckten Händen den Sturm zurücktreibend. Geschützt von magischen Kräften, die nicht die der beiden Master waren, erreichten sie die Bresche und sahen hinaus.
Der Sturm begann jetzt rasch an Kraft zu verlieren. Er war über das Kastell hinweggetobt und hatte es zerstört, und jetzt raste er weiter, den Berg hinauf und auf die Burg auf seinem Gipfel zu. Aber seine Kraft war gebrochen. Balestrano und die beiden anderen sahen, wie die schwarze Woge über den drachenhäuptigen Türmen der Burg zusammenschlug, aber sie sahen auch, daß ihre Gewalt längst nicht mehr ausreichte, ihnen Schaden zuzufügen. Vielleicht löste sie noch ein paar lockere Steine, und vielleicht tötete oder verwundete sie die, die nicht rasch genug in Deckung gegangen waren – aber die Mauern hielten ihr stand.
Dafür waren die Verwüstungen, die die drei Männer hier unten erblickten, um so schlimmer.
Balestrano konnte sich nicht entsinnen, jemals ein Bild so vollkommener Zerstörung gesehen zu haben.
Das Kastell, in dem sich das Templerheer gesammelt hatte, um zum entscheidenden Sturm auf Necrons Burg anzusetzen, was verschwunden. Wo es gestanden hatte, erstreckte sich eine Landschaft aus zermalmtem, glattgeschmirgeltem Stein, wirr durcheinandergeworfenen Trümmern und schwarzen Lavasplittern. Nur einer der vier Türme stand noch; zu einem Drittel und schräg ein zerfranster Stumpf, der aus einem Berg kleingemahlenen schwarzen Steines ragte.
Und nirgends war auch nur die geringste Spur von Leben zu entdecken...
»Mein Gott!« flüsterte Hayworthy. »Sie... sie können doch nicht... nicht alle... tot sein!« Seine Stimme versagte beinahe.
Balestrano schwieg. Sein Blick tastete über die zerstörte Felslandschaft, die noch vor Minuten der Innenhof des Kastells gewesen war, den zermalmten Turm, dessen Südflanke, die dem Sturm zugewandt gewesen war, wie ein Spiegel glänzte, weiter über die zerborstenen Reste des steinernen Innengebäudes, in dem die meisten der Krieger Unterschlupf gesucht hatten.
»Ein paar müssen doch noch leben!« wimmerte Hayworthy. »Das... das kann doch nicht sein, Bruder Jean. Bitte, das...«
Ganz langsam stand Jean Balestrano auf. Der Schmerz in seinem gebrochenen Arm war vergessen, ja selbst das lähmende Entsetzen, das er vor Augenblicken noch verspürt hatte, war fort. Er fühlte sich nur noch leer. Sie waren tot, alle, das spürte er, jeder einzelne der fünfhundert Männer, die ihm vertraut und ihr Leben in seine Hände gelegt hatten. Aber der Gedanke erschien ihm seltsam abstrakt.
Es war zu schnell gegangen. Vor einer Minute noch waren sie ein Heer gewesen, eine stolze Armee, nur noch einen Schritt vom endgültigen Sieg entfernt, und jetzt...
Wieder tastete sein Blick über die zertrümmerte Landschaft, in die der Sturm die Festung verwandelt hatte, und wieder sträubte sich etwas in ihm mit aller Macht, das Bild, das ihm seine Augen zeigten, als wahr
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