Der Hexer - NR34 - Stirb Hexer
verbergen.«
Prox verzichtete auf die Antwort, die ihm sichtlich auf der Zunge lag, fuhr auf dem Absatz herum und stieß die Tür so wuchtig auf, daß sie draußen gegen die Wand prallte. Im Sturmschritt marschierte er durch den Gang und blieb in Sicht-, aber nicht in Hörweite stehen.
»Dem haben Sie’s gegeben, Doktor«, sagte ich müde. »Wenn Sie sich in der Verhandlung ebenso gut schlagen, sehe ich der Zukunft gelassen entgegen.«
Grays Blick blieb ausdruckslos. »Ich fürchte, ich muß dich enttäuschen, Junge«, sagte er.
Ich erschrak. »Wie... wie meinen Sie das?«
»Wie ich es sage«, antwortete Gray. »Einen kleinen Polizeibeamten einzuschüchtern, ist eine Sache. Aber ich war nicht untätig, während sie dich durch die Mangel gedreht haben. Es sieht übel aus.«
»Was?« fragte ich alarmiert.
Gray zögerte, aber nur eine Sekunde. Dann seufzte er, lehnte sich zurück und begann mit seinem Stock zu spielen. Der Stuhl, auf dem er saß, ächzte hörbar unter seinem Gewicht, obgleich Gray keine hundert Pfund wog. Wie alles hier war er alt und starrte vor Schmutz.
»Auch ich habe gewisse... Freunde im Yard und anderswo«, begann er zögernd. »Ich habe eine Menge erfahren, und wenig davon gefällt mir. Cohen hat mittlerweile ein halbes Dutzend Zeugen aufgetan, die Stein und Bein schwören, dich in der Gegend beobachtet zu haben, in der dieser Peabody ermordet worden sein soll. Darunter einige respektable Bürger, die kaum lügen werden. Und es kommt noch schlimmer. Er –«
»Verdammt nochmal, ich war es nicht!« fuhr ich auf.
»Ich weiß«, sagte Gray mit geradezu aufreizender Ruhe. »Aber die Richter wissen es nicht.« Er seufzte. »Tut mir leid, Robert, aber ich halte nichts davon, dir falsche Hoffnungen zu machen.«
»Was soll das heißen?« fragte ich. »Sie...«
»Du hast keine große Chance«, sagte Gray kühl. Sein Blick war wie aus Eisen. Jedes bißchen Wärme und Väterlichkeit, das jemals darin gewesen war, war verschwunden. »Um ehrlich zu sein – wenn es sich nicht um dich handeln würde, würde ich die Verteidigung in diesem Falle glattweg ablehnen.«
»Das klingt ja so, als wäre ich bereits verurteilt!«
»So ungefähr ist es auch«, sagte Gray düster. »Cohen und Staatsanwalt Ruthel werden schwerstes Geschütz auffahren, und sie werden alles aufbieten, was sie haben. Solange wir deine Unschuld nicht konkret beweisen können...« Er seufzte erneut. »Aber soviel Zeit bleibt uns nicht. Gib mir ein viertel Jahr, und ich zerpflücke diese Anklageschrift in der Luft. Aber so...« Er spielte weiter mit seinem Spazierstock, mit dem Ergebnis, daß er ihm aus den Händen glitt und zu Boden fiel. Automatisch bückte ich mich danach, ebenso wie er. Um ein Haar wären wir mit den Köpfen zusammengestoßen.
»Verschwinde, Robert«, flüsterte Gray, als wir uns für einen Moment ganz nahe waren. »Deine einzige Chance ist die Flucht, glaube mir. Ich habe alles vorbereitet. Rowlf wartet mit einer Kutsche hinter dem nächsten Block, Geld und Papiere liegen bereit.«
»Das ist nicht Ihr Ernst«, keuchte ich. »Sie –«
»Ich meine es bitter ernst«, antwortete Gray gehetzt. »Tauch für ein paar Monate unter. Wenn du fort bist, werden Howard und ich die Sache schon irgendwie hinbiegen.«
»Heda!« brüllte Prox. »Was gibt’s da zu tuscheln?!« Wütend kam er in die Zelle gestürmt, versetzte mir einen Knuff, der mich um ein Haar vom Stuhl hätte fallen lassen, und riß Gray an den Jackenaufschlägen in die Höhe.
Wenigstens wollte er es.
Was dann geschah, ging so schnell, daß ich nicht einmal mehr Zeit hatte, richtig zu erschrecken, ehe es auch schon zu spät war.
Gray machte eine ganz instinktive Abwehrbewegung, und da er seinen Spazierstock wieder in den Händen hielt, machte dieser die ruckhafte Bewegung mit.
Und prallte mit voller Wucht gegen Prox’ Adamsapfel.
Der Polizeibeamte stieß einen würgenden Laut aus, ließ Gray los und schlug statt dessen beide Hände gegen den Hals. Er taumelte zurück, prallte gegen die Wand und sackte ganz langsam in die Knie. Sein Mund war weit aufgerissen.
Er starb, noch ehe ich bei ihm war.
* * *
Lordoberrichter James Darender wischte sich mit seinem Taschentuch den Schweiß von der Stirn und verfluchte zum x-ten Mal den Architekten, der den Schwurgerichtssaal im Old Bailey geplant hatte. Im Winter wurde es hier so kalt, daß kein Ofen den Saal heizen konnte. Dafür schwitzte man sich im Sommer schier zu Tode. Außerdem war die Luft zum
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