Der Hexer - NR39 - Die Rache des Schwertes
stellten für einen armen Araber sicherlich eine Verlockung dar. Aber sie gegen den Zorn Scheik Alis einzutauschen, der ihn um die halbe Welt jagen würde, wenn er von seinem Verrat erfuhr – nein, so dumm konnte Mahmout nicht sein.
Angst?
Es war möglich. Obgleich ich ihren Scheik gerettet und ihr Volk vor der Knechtschaft bewahrt hatte – zumindest hatte ich mitgeholfen, es zu tun –, hatte ich die Furcht gespürt, mit der die Beni Assar mich anblickten, wenn sie glaubten, ich merkte es nicht. Mahmout konnte in mir... irgend etwas eben gesehen haben. Vielleicht einen Abgesandten des Schejtan. Vielleicht einen Dschinn. Vielleicht auch nur einen Narren, den er getrost in der Wüste zurücklassen konnte, ohne daß sein Fehlen irgend jemandem auffiel. Dazu war ich noch ein Ungläubiger für ihn, ein Giaur. Somit würde ihm der Verrat, den er mir gegenüber begangen hatte, nicht den Eintritt in das Paradies verwehren.
Allerdings war ich zu diesem Zeitpunkt dem Paradies weit näher als Mahmout. Ich war mir alles andere als sicher, ob ich den heutigen Tag ohne Wasser überhaupt überstehen würde. Ich würde mich frühestens am Abend auf den Weg machen können, und bis dahin hatte mich die Hitze wahrscheinlich schon so ausgelaugt, daß ich nicht mehr in der Lage war, ein Bein vor das andere zu setzen.
Die verschiedensten Ideen schossen mir durch den Kopf, wie ich meine Kräfte erhalten konnte. Die meisten von ihnen waren von vornherein sinnlos, da mir die Möglichkeiten fehlten, sie in die Tat umzusetzen. Die einzige Chance, die ich noch sah, war, mich wie ein Skorpion im Sand einzugraben. Ich raffte meine Decken zusammen, legte sie griffbereit neben mich und begann zu schaufeln. Der Sand fühlte sich unter meinen Händen so heiß an, daß ich mein Vorhaben beinahe aufgegeben hätte. Außerdem rutschte er immer wieder in das Loch zurück, so daß ich große Mühe hatte, mir die Grube zu graben, die hoffentlich nicht mein Grab werden würde.
Meine Muskeln begannen sich schon bald zu schmerzhaften Stricken zusammenzuziehen. Wahrscheinlich war es nur noch meine Wut auf Mahmout, dem ich die Pest auf den Hals wünschte, die mir die Kraft gab, weiterzumachen. Schließlich behauptete mein überanstrengter Körper, daß das Loch groß genug sei. Ich legte mich hinein und schaufelte den Sand über mich, so daß nur mein Gesicht freiblieb. Zu meiner Überraschung fühlte sich der Sand in der Grube angenehm kühl an. Erleichtert schloß ich die Augen, schickte Mahmout noch einen lautlosen Fluch hinterher und fiel in einen Dämmerzustand, der halb zwischen Schlafen und Wachen lag, um meine Kräfte zu schonen.
* * *
»Er kommt.«
Guillaume de Saint Denis hörte Bruder Renards Worte kaum. Er fühlte sich wie im Fieber. In seinen Ohren rauschte das Blut, und die Hitze, die sich unter seinem zum größten Teil aus Kettengeflecht bestehenden Templergewand gestaut hatte, dörrte seinen Körper unbarmherzig weiter aus. Seine Augen tränten ununterbrochen.
Aber das alles lag weniger an der Wärme und den jetzt seit Tagen dauernden Strapazen, als er Renard de Banrieux Glauben machen wollte. Es hatte einen anderen Grund. Einen gänzlich anderen.
Sie waren zu spät gekommen. Robert Craven, der Magier aus England, den sie durch geschickte Manipulationen dazu gebracht hatten, sich Nizar zu stellen und ihn zu bekämpfen, hatte ein wenig zu gut gearbeitet. Als sie den Marathonritt zu Nizars Wüstenfestung hinter sich gebracht hatten, hatten sie gerade noch gesehen, wie die Burg zu zerfallen begann; eine Ruine, die jetzt, da die magischen Kräfte, die sie erhalten hatten, erloschen, in wenigen Stunden einen Verfall erlebte, der normalerweise Jahrtausende gewährt hätte.
Trotzdem waren sie in das zusammenbrechende Gemäuer eingedrungen. Aber sie hatten weder von Robert Craven noch vom Auge des Satans auch nur eine Spur gefunden.
Und auch sie war nicht da gewesen.
Guillaume hätte sich wohl eher die Zunge herausreißen lassen, ehe er diesen Umstand zugegeben hätte – aber es war nicht mehr allein sein Haß auf Nizar, nicht mehr der Befehl, das Auge zu beschaffen, nicht mehr sein Wille, die Sandrose zu erstürmen, die ihn weitertrieben. Es war die Frau.
Die Dschinn.
Nur einmal, und nur für wenige Sekunden, hatte er sie gesehen, aber diese Augenblicke hatten gereicht, sein Leben zu verändern. Guillaume wußte, daß er nie wieder der alte sein würde. Nicht, wenn er sie nicht wiedersah. Und erst recht nicht, wenn es ihm
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