Der Hexer - NR42 - Die vergessene Welt
fochten, daß die Funken nur so stoben. Schließlich blieb einer liegen, und der Sieger winkte mehrere Affen zu sich, die anscheinend seine Untergebenen waren.
Ein blauer Blitz fuhr durch meinen Schädel. Das Bild vor meinem geistigen Auge zerstob, wurde zu wirbelndem Chaos, aus dem flammende Arme wie lodernde Feuersäulen schossen. Für einen winzigen Moment glaubte ich ein Gesicht inmitten des blaugleißenden Feuermeeres zu sehen; das Gesicht einer sehr jungen, sehr schönen Frau.
Dann schien eine Miniatursonne direkt zwischen meinen Schläfen zu explodieren.
Ich spürte nicht einmal mehr, wie ich neben dem Sarkophag auf dem Boden aufschlug...
* * *
Mereda hatte sich nicht bewegt. Ihr Gesicht war wie eine Maske: starr, bar jeden Ausdrucks, völlig gefühllos. Nur ihre rechte Hand, die sich um den Assyrkristall zwischen ihren Brüsten gelegt hatte, hatte einmal gezuckt; nur ganz sacht und nur sehr kurz. Niemand, auch ein aufmerksamer Beobachter nicht, hätte es überhaupt bemerkt.
Nein – Mereda, die neue Kreisversteherin des Conden-Turmes, hatte sich in der Gewalt, ebensogut und vielleicht besser als Carda.
Aber in ihrem Inneren tobte ein Vulkan.
Die Verbindung war nur sehr flüchtig gewesen. Sie hatte das Bild des Fremden gesehen, eines Mannes von sehr sonderbarem Äußeren, klein, schlank, mit sehr heller Haut und Haaren im Gesicht, aber eindeutig menschlich, und einer seltsamen, gezackten weißen Haarsträhne, die ihm ein irgendwie geheimnisvolles Aussehen verlieh.
Aber es war nicht sein Äußeres, das sie so erschreckt hatte. Als Bewohnerin des Conden-Turmes, und als Adeptin erst recht, war sie bizarre Wesen gewohnt, und gegen die Sree war dieser sonderbare Fremde mit seinem bleichen Gesicht und den Haaren an der falschen Stelle geradezu eine Schönheit. Was sie so verstörte, war das, was sie hinter seinen fremdartigen Zügen gesehen hatte. Fetzen von Erinnerungen, Bilder, die so erschreckend wie faszinierend waren –
seine Herkunft...
Konnte es sein? dachte Mereda schaudernd. War es möglich, daß die alten Prophezeiungen doch wahr waren, obgleich sie alle, Carda eingeschlossen, stets nur darüber gelächelt hatten?
Konnte es sein, dachte sie erschrocken, daß er gekommen war?
* * *
Ich wußte nicht, wieviel Zeit vergangen war, als ich das Bewußtsein zurückerlangte. Aber es konnten nicht mehr als ein paar Minuten gewesen sein, denn die Schramme, die ich mir beim Sturz auf den harten Boden an der Stirn zugezogen hatte, blutete noch. Ein unbestimmtes Gefühl von Gefahr wühlte in meinen Gedanken.
Ich stöhnte leise, öffnete die Augen und versuchte mich hochzustemmen, fand aber erst beim zweiten Anlauf die nötige Kraft dazu. Mühsam wandte ich den Kopf.
In der nächsten Sekunde war ich hellwach.
Nicht nur ich, sondern auch der Mann, den ich niedergeschlagen hatte, war aus seiner Bewußtlosigkeit erwacht. Und wenn ich mir eingebildet hatte, er stelle keine Bedrohung mehr dar, mit seinen auf den Rücken gefesselten Händen und den zusammengebundenen Füßen, so hatte ich mich verdammt getäuscht, denn der Bursche hatte die Zeit meiner Bewußtlosigkeit genutzt, sich wie ein Wurm auf mich zuzuschlängeln und -rollen, und ganz genau in dem Moment, in dem ich den Kopf wandte und ihn ansah, versuchte er sich samt seiner stachelbewehrten Rüstung über mich hinwegzurollen. Wenn es ihm gelang, würde ich hinterher aussehen, als wäre ich unter den Urgroßvater aller Rasenmäher geraten.
Entsetzt warf ich mich zurück, zerrte den Dolch aus dem Gürtel und stieß die Waffe nach vorn. Ich traf nicht und hatte auch nicht die Absicht gehabt, es zu tun, aber die Warnung war eindeutig. Der Krieger erschlaffte, ließ sich mit einem eindeutig enttäuscht klingenden Laut zurücksinken und starrte mich mit einer Mischung aus Furcht und mühsam unterdrückter Wut an.
Ich kroch hastig ein weiteres Stück zurück, richtete mich auf und sah zu Sill empor, um mich davon zu überzeugen, daß sie noch schlief, ehe ich mich wieder an den Krieger wandte. Der Dolch in meiner Hand kam mir mit einem Male lächerlich vor. Ich steckte ihn weg.
»Verstehst du meine Sprache?« fragte ich.
Ich hatte keine ernsthafte Hoffnung, eine wie auch immer geartete Antwort zu erhalten – aber zu meiner Überraschung nickte der gefesselte Riese.
»Warum sollte ich das nicht, du Ancen-Hund?« fauchte er. »Es ist nicht schwer, die Sprache von Tieren zu erlernen.«
»Ancen?« Ich runzelte demonstrativ die Stirn, ging – ein
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