Der Hexer - NR42 - Die vergessene Welt
gesungen, mit dem sie und der Kreis sich aufeinander eingestimmt hatten.
Es war ihr gelungen; besser, als sie es bei ihren Adepten erwarten konnte, deren Kräfte teilweise noch sehr schwach und kaum ausgebildet waren. Sie hatte sich zur Herrin des Kreises aufgeschwungen, und damit zur Herrin des Conden-Turmes. Bis zu jenem Augenblick, in dem eine fremde Kraft auf die Magie des Kreises eingewirkt hatte.
Noch jetzt spürte Mereda das Entsetzen in sich, das sie dabei empfunden hatte. Zunächst hatte sie geglaubt, es sei der Dämon des Ancen-Turmes, der nach ihr greifen würde, um auch den neuen Magierkreis von Conden zu vernichten.
Aber es war etwas anderes gewesen, eine neue Kraft, die – und dessen war sich Mereda vollkommen sicher – irgendwie mit dem Bild des fremden Mannes zu tun hatte, wenn es auch vielleicht nicht seine Kraft war. Einen Angriff des Kampfdämons von Ancen hätte sie nicht durchgestanden. Nicht mit einem Kreis, der aus Kindern bestand, die gerade erst begannen, ihre Kräfte zu entdecken.
Doch es handelte sich um eine völlig fremde, unbekannte Kraft, die sich in das Zusammenspiel des Kreises einmischte, eine Kraft, die sie nicht abwehren konnte, ohne den Kreis und sich selbst zu vernichten. Hilflos hatte sie zusehen müssen, wie diese fremde Macht alle Kraft des Kreises an sich zog und für sich selbst verwendete. Sie hatte nicht erkannt, wozu. Es war auch nicht unbedingt eine feindliche Kraft gewesen. Aber nicht jeder, der nicht ihr Feind war, war dadurch automatisch auch ihr Freund. Ganz und gar nicht.
Sie reichte den Becher an Xird zurück, fuhr sich mit einer betont ruhigen Geste durch das Haar und wandte sich wieder zu den anderen Mitgliedern des neuen Kreises um. Keiner dieser Narren hatte wirklich bemerkt, was geschehen war. Der eine oder andere mochte gespürt haben, daß nicht alles so verlaufen war, wie Mereda es wünschte. Aber keiner ahnte die Wahrheit.
Nämlich die, daß Mereda auf eine Kraft gestoßen war, die der ihren grenzenlos überlegen war.
In Meredas Gedanken hallte auch noch Madurs überraschter Ruf nach, als dieser mit seinen drei Leibwächtern so plötzlich auf die beiden Fremden gestoßen war. Die nächsten Bilder, die sie seinem erregten Gehirn entnahm, zeigten einen düsteren, nach Tod und Blut riechenden Raum. Und jenen fremden Mann, bei dessen Anblick sich irgend etwas in ihr zusammenzog.
Langsam trat sie wieder in den Kreis zurück. Die Adepten blickten sie an, erwartungsvoll, manche mit eindeutiger Angst, alle voller Unsicherheit. Alles war so schnell gegangen. Sie hätte noch so viel Zeit gehabt, wäre die Katastrophe nicht eingetreten. Jetzt mußten sie in Tagen, ja Stunden lernen, wozu Jahre vorgesehen waren.
Trotzdem konnte Mereda in ihren Augen nirgends eine Spur von Vorwurf erkennen. Sie hatte versagt, das wußte sie, aber niemand schien es bemerkt zu haben. Sie war erleichtert.
Doch Mereda wußte auch, daß sie sich nicht von ihren Gefühlen leiten lassen durfte. Wenn sie ihre Macht über den Conden-Turm nicht verlieren wollte, mußte sie kühlen Kopf bewahren. Nicht alle Adepten standen auf ihrer Seite.
Im Hintergrund der Halle sah sie Tonn, den zweiten Sree-Hauptmann des Turmes, mit Aneh tuscheln. Aneh hatte eine Zeitlang als ihre ärgste Konkurrentin für Cardas Nachfolge gegolten. Doch dann war die Entwicklung von Anehs Fähigkeiten weit hinter der ihren zurückgeblieben. Mereda fühlte instinktiv, daß Aneh nur darauf lauerte, sie zu ersetzen. Auch Tonns Gedanken waren auf seinem Gesicht wie in einem Buch zu lesen: ›Lieber eine Bewahrerin mit geringen Fähigkeiten, als eine, die sich bei ihren Beschwörungen übernimmt.‹ Und er war zornig. Zornig, weil sie sich so offen auf Madurs Seite gestellt hatte. Tonns Aussichten, damit in absehbarer Zeit zum Kriegshauptmann des Conden-Turmes aufzusteigen, waren damit praktisch auf Null gesunken.
Doch obwohl Mereda in diesem Augenblick so schwach war, daß es ihr ungeheuere Mühe kostete, überhaupt die Augen offen zu halten – sie war nicht bereit, ihren Platz als die Herrin von Conden abzugeben, vor allem nicht an eine Frau, die sie aus tiefster Seele verachtete. Nicht jetzt. Nicht, wenn... wenn es wirklich er war, der kam. Er, von dem die alten Lieder sangen.
Sie nahm Xird energisch den zweiten Becher aus der Hand und setzte ihn an die Lippen. Diesmal ließ sie sich jedoch beim Trinken Zeit und genoß jeden Tropfen der heißen, kraftspendenden Droge. Sie wußte um die Gefahr, die die
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