Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Himmel schweigt

Der Himmel schweigt

Titel: Der Himmel schweigt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Delrio
Vom Netzwerk:
tat seiner gereizten Kehle gut und kühlte die Haut. »Danke. Ich muss jetzt weiter«, erklärte er. »Meine Eltern, im Gartenplatzviertel. Ich muss nachsehen, ob sie fliehen konnten.«
    »Viel Glück«, sagte der Geschäftsmann. »Viel Glück«, murmelten auch die anderen.
    Dann lief er weiter, rund um die Halle zu der breiten Marmortreppe hinauf ans Licht. Er wurde, als er sich der Oberfläche näherte, langsamer, nahm sich die Zeit, sich umzusehen und zu lauschen.
    Die Straße war leer, der Kampflärm weit entfernt. Die Invasoren waren weitergezogen. Aber sie hatten Spuren hinterlassen: umgekippte, brennende Fahrzeuge; Krater im Straßenbelag, die von Raketeneinschlägen herrührten; klaffende Löcher in Hauswänden und Dächern; von Waffenfeuer geschredderte Bäume und Sträucher. Eine Leiche lag in der Nähe des U-Bahn-Eingangs, weder ein Capel-laner noch ein planetarer Soldat, sondern ein Zivilist. Er lag da in einem zerknitterten Häufchen seltsam verrenkter Gliedmaßen.
    Jetzt rannte er so schnell er konnte. Zwei Querstraßen, fünf. Auf dem Allardplatz war der Boden umgepflügt. Von den Schaukeln und dem Klettergerüst des Spielplatzes war nur noch verbogenes Metall übrig. Sechs Straßen weiter erreichte er eine Reihe grauer Wohnhäuser, jedes mit einer kleinen Marmortreppe an der Eingangstür neben einem Erkerfenster, und außerdem mit einem winzigen Vorgarten mit Blumen und Sträuchern in Holzbottichen.
    Da war das Haus mit der grünen Tür und dem Klopfer in Form eines bronzenen Drachenkopfes. Er rannte die Stufen hinauf. Die Tür war nicht abgeschlossen. Nicht einmal im Schloss. Sie schwang bei der ersten Berührung auf und er fiel halb hindurch in den Flur.
    Der Tisch aus Kirschholz mit der großen Bronzevase darauf. Seine ganze Kindheit über hatte er hier gestanden. An heißen Sommertagen hatte er die Stirn an das kühle Metall der Vase gelegt. Jetzt war der Tisch umgekippt, die Vase war in eine Ecke gerollt, die Blumen, die darin gestanden hatten, lagen in einem breiten, diagonalen Streifen über den nassen Flurboden verstreut.
    Er sah schlammige Fußspuren auf dem Teppich der Treppenstufen. Sie führten nach oben.
    Es war kein Laut zu hören.
    Neue Kaserne, Tara, Northwind Präfektur III, Republik der Sphäre
    November 3132, Winter
    An dem Tag, nachdem sie von der bevorstehenden Ankunft des Paladins erfahren hatte, traf sich Tara Campbell in ihrem Büro in der Neuen Kaserne mit Oberst Michael Griffin. Das Zimmer war klein und spartanisch eingerichtet. Alles hier war Regiments-Standardmobiliar und hätte sich ebenso auf jeder anderen Welt befinden können, auf der die Highlanders präsent waren. Aber es war ihr persönlicher Zufluchtsort, und sie hatte sich bewusst für dieses Büro entschieden statt für einen der repräsentativeren Räume im eigentlichen Fort.
    In den Zimmern hier fühlte sie die Last der Geschichte weniger drückend auf den Schultern als in den historischen Räumen des Forts, und außerdem fand sie die Neue Kaserne generell bequemer. Zum Beispiel ließ sich die Zimmertemperatur in der Kaserne einzeln regulieren. Die Heizung des Forts hingegen konnte nur für das gesamte Gebäude eingestellt werden, und das geschah in den geheimen Winkeln der Wartungsabteilung gemäß einer Kombination aus Heizungseffizienz und überlieferter Tradition, die sich Tara nie erschlossen hatte. Sie empfand die Zimmer des Forts eigentlich immer als entweder zu kalt oder zu warm.
    Heute war es draußen neblig und kalt. Die Stadt zeigte sich nicht von der besten Seite. Tara bedauerte es, dass sie nicht in der Lage sein würde, einen größeren Teil des Winters in Castle Northwind zu verbringen, der privaten Residenz der Counts of Northwind und dem Schauplatz vieler lieber Kindheitserinnerungen. Sie schwelgte kurz in Erinnerungen an Castle Northwinds knisternde Kaminfeuer und die Wälder um die Burg, an die Winter, in denen sie mit dem Schlitten den langen Hang über dem See hinabgefahren war und Schnee-Engel gemacht hatte. Die Erinnerungen entspannten sie.
    »Haben Sie schon mal einen Schnee-Engel gemacht, Oberst Griffin?«, fragte sie gedankenverloren, während sie die Dateien, die sie brauchte, auf den Computerschirm holte. »Als Kind, meine ich.«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich bin an der Ölfeldküste in Kearny aufgewachsen. Da gab es keinen Schnee ...«
    »Wie schade.«
    »... aber jede Menge Sand und Sonnenschein.«
    Es klang Sehnsucht in seiner Stimme mit, sie machte sich in Gedanken eine

Weitere Kostenlose Bücher