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Der Himmel so fern

Der Himmel so fern

Titel: Der Himmel so fern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kajsa Ingemarsson
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klang vielleicht lächerlich, aber in diesem Moment fühlte ich mich wie neugeboren. Als ob dieses Erlebnis allen Dingen in meinem Leben, den wichtigen und unwichtigen, eine neue Reihenfolge gegeben hätte, und dies so gründlich, wie es keine noch so lange Therapie hätte bewirken können.
    Jetzt stand ich da, erfüllt von der Einsicht, wie wertvoll das Leben war und wie ich zukünftig leben wollte. Ich war bereit, über den Vorsprung zu schauen und über die Höhe zu erschrecken. Bereit, mir diese Idiotie vor Augen zu halten, die mich, als mein Leben kurzzeitig stillstand, in den Tod getrieben hätte. Bereit, mich selbst für immer zu heilen.

»Was ist das?«
    »Es tut mir leid …«
    »Was passiert da?«
    »Rebecka …«
    »Was tut ihr da? Was wollen all diese Menschen? Wer liegt da?«
    »Was siehst du denn?«
    »Das sieht aus wie … Nein, das kann nicht sein. Das ist jemand anders. Ich bin nicht gesprungen, ich bin ja hier. Das siehst du doch! Ich bin zurückgekommen. Vorhin habe ich dort oben gestanden. Auf dem Felsvorsprung. Ich wollte nur mal über den Rand schauen …«
    »Und genau das hast du gesehen.«
    »Nein! Das stimmt nicht! Das ist nicht wahr!«
    »Rebecka, es nützt nichts, die Augen zu verschließen.«
    »Ich will das nicht sehen …«
    »Das musst du auch nicht. Wir können von hier fortgehen.«
    »Fortgehen?! Du sagst doch selbst, dass ich diejenige bin, die da liegt!«
    »Was da liegt, ist dein Körper.«
    »Mein Körper! Ich blute! Schau auf meinen Kopf, das große Loch im Nacken … Und sieh mal, mein Arm, sieh mal, in welchem Winkel er absteht …«
    »Tut es weh?«
    »Ich weiß nicht. Ich spüre gar nichts.«
    »Du spürst nichts, weil du dich nicht mehr in deinem Körper befindest, deswegen spürst du keine Schmerzen. In ihm ist kein Leben mehr. Er ist tot.«
    »Das ist nicht wahr! Ich kann das nicht sein?! Ich habe es mir doch anders überlegt!«
    »Da war es schon zu spät, Rebecka. Du hattest dich bereits entschieden und den letzten Schritt getan.«
    »Aber ich stehe doch hier, ich spreche doch …«
    »Du hast deinen Körper verlassen.«
    »Sei still. Ich glaube dir nicht. Es gibt doch Krankenhäuser, Ärzte … Wir leben im 21 . Jahrhundert, da muss man doch an so etwas nicht sterben?! Ich muss leben! Ich muss nach Hause zu Mikael!«
    »Ich kann dir nicht helfen, Rebecka, nicht dabei, deinen Körper zurückzubekommen. Du hast beschlossen, ihn zu verlassen. Daran kann man jetzt nichts mehr ändern.«
    »Ich habe überhaupt nichts beschlossen! Du lügst!«
    »Es tut mir leid, ich kann verstehen, was du jetzt durchmachst.«
    »Das ist alles nicht wahr. He, hört auf, lasst mich einfach in Ruhe!«
    »Sie können dich nicht hören. Dein Wille kann im Moment nichts ändern.«
    »Heißt das, ich soll einfach zusehen, wie sie mich wegbringen?!«
    »Hör’ mal, Rebecka, nimm’ meine Hand. Ich kann dir einiges erzählen. Es gibt Dinge, über die wir reden müssen.«

Als ich klein war , habe ich einen Film gesehen. Ein Mann wird viel zu früh in den Himmel geholt, denn einem neu angestellten Bediensteten in einer Abteilung da oben ist ein Fehler unterlaufen. Das muss nun also wieder in Ordnung gebracht werden, was nicht ganz einfach ist, denn der Körper des Verstorbenen ist nach einem Autounfall völlig lädiert. Schließlich finden sie als Ersatz den perfekten Body eines durchtrainierten Football-Stars, dessen Zeit abgelaufen ist. Alle Erinnerungen des Helden werden ausgelöscht, und man schickt ihn in neuer Gestalt wieder auf die Erde.
    Das war zwar eine Komödie, aber noch Jahre, nachdem ich den Film gesehen hatte, geisterte er durch meinen Kopf. Konnten »die da oben« sich vertun? Stell’ dir vor, sie denken plötzlich, sie müssten mich holen. Stell’ dir vor, ich bin grad mitten im Schlaf. Vielleicht würde ich gar nicht aufwachen. Und stell’ dir vor, womöglich holen sie Mama oder Papa. So kam es vor, dass ich vor Schreck das Licht anknipste und nach Mama schrie. Die rief vom Fernsehsofa leise zurück, ich solle wieder einschlafen. Nur selten kam sie zu mir herein. Wenn sie dann in der Tür stand, dann meist aus Wut, weil ich Sofia mit meinem Geschrei und dem hellen Licht mitten in der Nacht geweckt hatte.
    Und ich lag da in meinem Bett, meine Schwester schlief auf der anderen Seite unseres kleinen Zimmers, und dachte an das Ende. Es würde schon gut ausgehen. Immerhin durfte der Held ja leben, und in seiner neuen Gestalt fand er auch noch die große Liebe. Ende gut,

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