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Der Himmel so fern

Der Himmel so fern

Titel: Der Himmel so fern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kajsa Ingemarsson
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desinteressiert an mir vorbei. Seitdem hatte ich mich mehr oder weniger an meine natürliche Haarfarbe gehalten.
    »Ich glaube, ich habe vorhin eine Rothaarige an der anderen Bar gesehen. Soll ich mal hinübergehen?«
    »Gute Idee.«
    Stellan verschwand, und wir sahen ihm hinterher. Wir schwiegen beide, und schon tat es mir beinahe leid, dass ich ihn fortgeschickt hatte. Dann nahm ich noch einen Schluck von meinem Drink, und dieses Mal war ich mir völlig im Klaren darüber, wie meine Lippen, die sich um den Strohhalm schlossen, auf den Mann, der mir gegenüberstand, wirkten.
    »Was machst du beruflich?« Er gab sich Mühe, mir in die Augen zu sehen.
    »Ich bin bei der Investmentbank Kauffmann & Jakobs angestellt.«
    Ich versuchte festzustellen, ob diese Information bei ihm Eindruck hinterließ, und beobachtete ihn. Er erwiderte nichts, hörte aber interessiert zu. »Ich arbeite im Bereich Private Banking«, fügte ich hinzu. »Komplettlösungen für Privatvermögen. Investitionen, Steuerrecht, Renten, Versicherungen, du weißt schon …« Vermutlich hätte ich an dieser Stelle aufhören sollen, doch bei jedem weiteren Satz nickte er mir so aufmunternd zu, dass ich ihm plötzlich nicht nur von meiner Arbeit erzählte, sondern ihm haarklein alle einzelnen Karriereschritte erläuterte. Wie man mich direkt von der Handelsschule abgeworben hatte, dann das Wirtschaftsstudium in London und dass ich nun in meiner Position als angehende Beraterin eine der Jüngsten in der Branche war, weil mein Chef mich protegierte. Ich war definitiv die einzige Frau unter dreißig. Ich ersparte ihm nicht einmal einen kurzen Abriss über die hundertfünfzigjährige Geschichte meines Arbeitgebers und konnte mir auch nicht die Bemerkung verkneifen, dass Kauffman & Jacobs im aktuellen Jahr an Stelle vier im Euromoney-Ranking in der Rubrik Private Vermögensverwaltungen gelistet war, bis ich schließlich wieder den Mund hielt. Mikaels Grinsen wirkte eher amüsiert als beeindruckt.
    »Ich bin Makler«, sagte er. »Immobilien. Aber es ist eigentlich nur mein Brotberuf. Ich baue Boote, das ist das, was mir wirklich Spaß macht.« Ein Strahlen ging über sein Gesicht, doch schnell war es wieder verschwunden. »Diese ganze Immobilienwelt ist so … krank. Jedenfalls hier in Stockholm. Seit ich vor ein paar Jahren angefangen habe, sind die Preise um fast fünfzig Prozent gestiegen. Die Leute schmeißen Millionen zum Fenster raus, nur für ein paar erbärmliche Quadratmeter in Vasastan. Völlig verrückt …«
    »Irgendwo muss man eben wohnen.«
    »Aber hat das solch einen Stellenwert? Natürlich muss man irgendwo wohnen, aber Themen wie Zuhause und Einrichtung sind schon fast zu einer Religion geworden. Die Leute stylen ihre Wohnung, als befänden sie sich in einem Wettbewerb. Und alle wollen dasselbe. Geölte Eiche, Tapeten in Caffè-Latte-Farben, Kunstplakate an den Wänden und Kerzen in finnischen Windlichtern. Glaub’ mir, jeden Tag kriege ich diese Buden zu Gesicht. Alle glauben, sie seien ausgesprochen originell.«
    »Was meinst du denn, wie die Leute leben sollten?«
    »Zuallererst finde ich, sie sollten
leben
und sich nicht in ihren seriengefertigten Puppenhäusern einschließen und meinen, sie hätten die Kontrolle über ihr Leben. Stell’ dir mal vor, was sie mit dem Geld, mit dem sie die Banken füttern, alles erleben könnten, lauter spannende Dinge. Aber warum tun sie das nicht?«
    »Was meinst du? Was sollten sie denn tun?«
    »Ach, irgendwas. Verreisen, sich die Welt ansehen, aufs Land ziehen, Bilder malen, Bücher schreiben, einfach etwas anderes machen, sich ihre Träume erfüllen …«
    Er sprach mit einer enormen Begeisterung und war von seiner Leidenschaft fasziniert. Nicht dass ich derselben Ansicht war. Ich steckte mein Geld lieber in die Finanzierung meiner Zwei-Zimmer-Wohnung in Vasastan, die ich gerade gekauft hatte, als für den Rest meines Lebens gratis auf dem Land zu wohnen. Mein Zuhause ist meine Burg, und meine eigene Tapete in dunklem Espressoton war vielleicht nichts Exklusives, aber mir gefiel sie eben. »Und als Makler kann man so denken?«, fragte ich kritisch.
    »Nein.« Er ließ die Schultern sinken. »Eigentlich sollte ich den Job hinschmeißen und der Branche den Rücken kehren. Aber weißt du vielleicht einen anderen Beruf, bei dem man so leicht so einen Haufen Geld verdient?« Er grinste und richtete sich wieder auf. »Es ist ziemlich teuer, ein Boot zu bauen. Aber es lohnt sich, sie wird

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