Der Himmel so fern
mich wartete, ohne die geringste Ahnung, was ich hier trieb. Das Bild von ihm – in einem Sessel sitzend, entspannt zurückgelehnt mit einem Buch in der Hand, die Haare ein bisschen zerzaust und die Füße auf dem Couchtisch – das drehte mir den Magen um. Ich schluckte, umklammerte verkrampft das Geländer und holte ganz tief Luft. Wie war ich bloß auf diesen Gedanken gekommen?
Im Büro hatte ich alles aufgeräumt. Als stände ein längerer Urlaub bevor. Soweit möglich, hatte ich die offenen Vorgänge noch abgeschlossen, ansonsten diskrete Anweisungen hinterlassen, was als Nächstes zu tun war. Ich gehörte nicht zu den Menschen, die andere im Stich ließen, die nicht die Verantwortung trugen für das, was sie begonnen hatten, so hatte ich es mir überlegt und war in meiner Eitelkeit sogar stolz darauf gewesen. Hatte ich das wirklich geglaubt?
Ich wusste, dass auf Mikael keine finanziellen Probleme zukamen, so weit hatte ich immerhin gedacht. Er hatte sein eigenes Gehalt, und er würde ja alles erben. Da wäre für einige Zeit vorgesorgt. Darüber hatte ich mich fast gefreut, denn das war schließlich eine Art Entschädigung. Er würde reisen können, sich Dinge leisten, schön wohnen, gut essen … Er brauchte mich nicht. Im Gegenteil. Ich war diejenige, die ihn runterzog, die ihn von vielem abhielt, was er vorhatte. Ich bremste ihn, ich schränkte ihn ein. Das waren meine Gedanken gewesen. Dabei hatte ich mir nicht diesen einsamen Mann im Sessel vorgestellt, der nur auf das Geräusch des Schlüssels in der Haustür wartete, darauf, dass seine Frau nach einem langen Geschäftsessen endlich nach Hause kam. Sein Lächeln, die Frage, ob ich auch ein Glas Wein wolle oder lieber eine Tasse Tee. Die Umarmung, beiläufig, als er an mir vorbeigeht, um in der Küche den Wasserkocher anzustellen. Eine entspannte halbe Stunde auf dem Sofa vor dem Fernseher. Unsere Zahnbürsten nebeneinander im Badezimmer.
Plötzlich erschrak ich.
Das Badezimmer
. Der Klempner, hatte ich ihm das gesagt? Wann wollte er kommen? Wir sollten unseren Hausschlüssel den Nachbarn geben, falls wir selbst nicht da sein konnten. Aber wo war der Zettel, lag er noch im Flur? Hatte ich ihn weggeworfen? Mikael hatte sich so über den tropfenden Wasserhahn geärgert. Ein Teil musste ausgetauscht werden, und das durfte nur ein Fachmann machen. Mikael würde toben, wenn er erfuhr, dass der Handwerker vor verschlossenen Türen gestanden hatte. Das Schwindelgefühl wurde schlimmer, und ich bekam Angst, ohnmächtig zu werden. Dort, wo ich stand, hätte das schiefgehen können, der schmale Vorsprung reichte kaum für meine Füße. Nein, ich erinnerte mich jetzt, ich hatte es bestimmt erledigt. Ich versuchte, ruhig zu atmen. Ganz tief, bis hinunter in den Bauch, so wie es mir Mette beigebracht hatte. Durch die Nase einatmen, durch den Mund wieder aus. Fang’ doch mit Yoga an, hatte sie vorgeschlagen. Da lernt man das, das würde mir guttun. Vielleicht hatte sie recht, vielleicht sollte ich es wirklich ausprobieren. Schließlich war ich am Leben und konnte tun, was ich wollte.
Langsam normalisierte sich meine Atmung, und mein Puls sank wieder, auch wenn ich meinen Herzschlag nach wie vor als ohrenbetäubend empfand.
Wie viel Zeit war vergangen? Ich sah mich um. Nichts hatte sich verändert, die Schneeflöckchen fielen auf die Erde rundherum, lösten sich auf und verschwanden. Von der Straße unten war Motorengeräusch zu hören und in der Ferne leise ein Martinshorn. Ein kalter Schauer lief mir den Rücken hinunter. Genauso gut hätte das Blaulicht wegen mir flackern können. Krankenwagen und Polizei wären losgerast. Zeugen hätten den Notarzt gerufen und erzählt, was sie gesehen hatten. Wie ein Mensch sich hinuntergestürzt hatte und gefallen war. Geradewegs von der Felskante dort oben hinunter auf den Asphalt. Wieder wurde mir übel, doch dieses Mal war ich besser vorbereitet und holte ein paarmal tief Luft. Okay, alles unter Kontrolle.
Gerade wollte ich meinen Rock wieder hochkrempeln und auf die sichere Seite der Absperrung klettern, als mir plötzlich eine Idee kam. Ich würde diesem Wahnsinn ohne Wenn und Aber ins Auge sehen. Bevor ich mir erlaubte, einfach so in mein altes Leben zurückzukehren, würde ich mich selbst von diesen Dummheiten heilen, die mich so weit gebracht hatten. Wenn ich Mikael anrief, wollte ich ein neuer Mensch sein. Nicht eine Spur von der alten Rebecka wollte ich noch im Auto haben, wenn ich auf dem Heimweg war. Das
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