Der Himmel über Garmisch (German Edition)
Bemerkung ein. Immer noch steckten seine Hände in den Taschen. Er drehte ihnen den Rücken zu.
»Wir müssen in der Lage sein, schnelle Entscheidungen zu treffen«, sagte er. »Und das sind wir nicht.«
Carlo sah zu Boden, die Lippen ein schmaler, gerader Strich. Niemand sagte etwas. Gunther stand am Fenster und sah in den Garten hinaus.
Irren wir uns?, dachte Hardy. Kann er es doch? Ist er stark genug?
Gunther drehte sich ihnen wieder zu. Er wich Hardys Blick aus. Seine Augenlider zuckten, während er zu seinem Vater sah, der immer noch zu Boden starrte.
Nein, dachte Hardy, er kann es nicht.
»Was genau willst du uns sagen?«, fragte Ula.
Gunther antwortete nicht sofort. »Wir brauchen wieder eine klare Hierarchie«, sagte er nach einer Weile. »Einer muss sagen, wo es langgeht.«
»Und das möchtest du sein«, stellte Ula fest.
»Das hab ich nicht gesagt.«
Carlo hob den Kopf und sah ihn an.
Gunther hielt seinem Blick nicht stand. Er sah zur Seite. »Das hab ich nicht gesagt«, wiederholte er. »Und nicht gemeint. Aber wenn Pa nicht fit ist …« Er beendete den Satz nicht und drehte sich wieder zum Fenster.
»Brauchen wir das wirklich?«, fragte Ula. »Den einen Boss? Wieso sollten wir das nicht zusammen können?«
Gunther fuhr zu ihr herum. »Entschuldige mal … Wir ? Was hast du denn damit zu tun, Cordula?«
»Ich gehöre zur Familie, oder? Ich bin deine Schwester. Und nenn mich nicht so.«
»Ja. Du bist meine Schwester. Und Reagan ist mein Bruder. Und was soll mir das helfen?«
»Jetzt mal langsam«, sagte Carlo. Seine Stimme klang nun sicher, aber Hardy bemerkte sein beherrschtes Atmen. »Ich hatte gesagt, dass Ula Verantwortung übernehmen soll. Und das gilt.«
Gunther ließ in einer enttäuschten Bewegung die Schultern sinken. »Wenn sie Verantwortung übernehmen soll, muss sie wissen, um was es geht. Willst du ihr das sagen? Alles?«
»Nein. Das machst du«, sagte Carlo.
»Scheiße, da hab ich keine Zeit für!« Gunther nahm die Hände aus den Taschen und begann zu gestikulieren. »Ich kann doch nicht mitten in der Krise eine Praktikantin anlernen! Kaum bin ich Reagan los, läuft mir Ula zwischen den Beinen rum.«
Ulas Kiefer mahlten, aber sie schwieg.
Carlo sah seinen Sohn stumm an und schüttelte sanft den Kopf.
Gunther wich seinem Blick erneut aus. »Ich hab’s nicht so gemeint«, sagte er leise.
»Das hoffe ich«, sagte Carlo. »Wenn etwas zu entscheiden ist, trag es vor. Ich werde mir eure Meinungen anhören. Aber ich werde entscheiden.«
»Du musst es aber auch tun «, sagte Gunther. Wieder klingelte sein Handy. Diesmal nahm er das Gespräch an.
»Ja …« Er sah auf seine Armbanduhr. »Okay … ja, kenn ich.« Er steckte das Gerät wieder ein. »Sorry«, sagte er. »Ich muss noch jemanden treffen.«
»Wen?«, fragte Carlo.
Gunther machte eine wegwerfende Handbewegung. »Kennst du nicht.«
»Beantworte die Frage«, sagte Carlo.
»Meinen Kontaktmann bei den Bullen hier.«
»Wieso kennen wir den nicht?«, fragte Ula.
Gunther sah Carlo an und hob die Arme. »Da geht es doch schon los«, sagte er.
»Was geht los?«, fragte Ula.
»Dass du einfach keine Ahnung von den Basics hast.«
»Dann erklärt es mir. Ein Mal. Das reicht schon.«
»So etwas wissen am besten immer nur die, die es wissen müssen«, sagte Hardy ruhig. »Je weniger Druck im Kessel ist, desto weniger Lecks gibt es.«
»Verstehe«, sagte Ula. »Danke.«
Gunther verzog das Gesicht. »Optimal wäre, du wüsstest nicht mal, dass es da jemanden gibt.«
»Und wem sollte ich das erzählen?«, fragte Ula. »Meinem Friseur vielleicht?«
»Was weiß ich. Die Wände haben Ohren.«
Carlo räusperte sich. »Ich wünsche, dass du deine Schwester mit mehr Respekt behandelst«, sagte er. »Wenn sie Fragen hat, beantworte sie. Wenn sie Hilfe braucht, hilf ihr. Und nimm sie ernst. Sie ist intelligenter als du.«
Für eine Sekunde schien Gunthers Miene entgleisen zu wollen, aber er bekam sich wieder unter Kontrolle.
»Wie du meinst«, sagte er und ging aus dem Zimmer.
***
»Was habt ihr vor?« Schwemmer saß hinter seinem Schreibtisch beim LKA und telefonierte mit Hauptkommissar Ruhe von der Abteilung III .
»Der Eingang der Villa liegt ungünstig. Er ist von den Nachbarhäusern nicht einzusehen. Es läuft also auf einen Wagen hinaus.«
»Was für einen?«
»Einen neutralen Lieferwagen mit geschwärzten Scheiben. Den stellen wir gegenüber ab.«
»Und das merken die nicht?«
»Das wäre
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