Der Himmel über Garmisch (German Edition)
wo weiße Wolken in einem kräftigen Wind nach Osten trieben. Er spürte Maries Anwesenheit. Sie stand an der Tür, wo sie meist stand.
»Wir dürfen keine Angst haben«, sagte er leise.
Sie antwortete nicht.
Ein Auto hupte mehrfach vor dem Haus. Türen schlugen. Gunther war da.
Hardy erhob sich. Marie sah ihn an, ernst und liebevoll. Er lächelte sie an, dann lief er die Stiege zum ersten Stock hinunter. Gunthers Stimme drang zu ihm herauf. Er sprach mit Ula.
»Lass ihm die Zeit«, sagte sie gerade. »Er wird ja gleich da sein. Dann könnt ihr noch den ganzen Tag miteinander reden.«
Hardy klopfte an Carlos Tür. Carlo öffnete im Morgenmantel und winkte ihn herein. »Ist er da?«, fragte er.
Hardy nickte. Auf der Bar stand ein halb voller Cognacschwenker.
»War nur ein halber«, sagte Carlo, als er seinen Blick bemerkte.
»Bist du fit?«, fragte Hardy. »Das wird nicht leicht werden.«
»Passt schon«, sagte Carlo, aber er klang, als glaube er es selber nicht.
»Wenn du willst, übernehme ich das Reden.«
»Nein nein. Ich komm runter.«
Hardy ging zur Bar und räumte das Glas in den Schrank. »Du solltest dir was anziehen.«
»Gib mir fünf Minuten«, sagte Carlo.
Hardy ging ins Erdgeschoss hinunter. Ula und Gunther standen im Kaminzimmer beieinander und sahen ihm entgegen.
»Na, alter Mann«, sagte Gunther mit einem schiefen Grinsen. In der Ecke auf dem Sofa saß Konnie, ein fast zwei Meter großer, muskulöser Enddreißiger mit Ohrring und millimeterkurz geschnittenem Haar. Sie nickten sich zur Begrüßung kurz zu.
»Dein Vater hat gleich Zeit«, sagte Hardy und reichte Gunther die Hand. Gunther erwiderte den Händedruck kräftig und sah ihm dabei forschend in die Augen. Er hatte weder die Größe noch die Statur seines Vaters, aber er war kräftiger gebaut als Reagan. Das rötlich braune Haar stammte von seiner Mutter, und es begann, blasser und schütter zu werden, obwohl er gerade erst Anfang dreißig war.
Hardy zwinkerte ihm zu. »Willst du was trinken?«
»Nur Kaffee und Wasser, bitte.«
Hardy winkte Konnie hinter sich her. Konnie folgte gehorsam. Hardy zeigte ihm, wo er in der Küche Kaffee, Geschirr und so weiter finden würde, dann ließ er ihn allein.
»Ich weiß nicht, wo Reagan steckt«, sagte Ula gerade, als er wieder das Kaminzimmer betrat. »Aber er hat uns in ziemliche Schwierigkeiten gebracht.«
»Das war ja zu erwarten«, sagte Gunther, »bei dem Mist, den er in der letzten Zeit so gebaut hat.«
»Lasst uns über euren Bruder reden, wenn Carlo dabei ist«, sagte Hardy.
»Wie geht es ihm?«, fragte Gunther.
»Einigermaßen«, sagte Ula.
Gunther kniff die Augen zusammen. »Was heißt das?«
»Er ist okay«, sagte Hardy. »Du wirst sehen.«
»Ich weiß nicht«, sagte Gunther. »Er kann nicht einfach monatelang verschwinden und glauben, alles bleibt, wie es ist.«
»Das glaubt er auch nicht«, sagte Hardy.
Carlo kam herein. Er hatte sich in Form gebracht, trug einen Zweiteiler mit Einstecktuch und ging mit geöffneten Armen auf Gunther zu. Die beiden umarmten sich.
»Schick habt ihr es hier«, sagte Gunther.
Sie setzten sich. Das Gespräch drehte sich um die Einrichtung der Villa und das morgige Fest, bis Konnie mit dem Kaffee hereinkam. Das Tablett wirkte in seinen Händen, als stamme es aus einer Puppenstube.
»Lässt du uns dann bitte allein«, sagte Gunther zu ihm, nachdem er das Tablett abgestellt hatte, und Konnie verschwand so wortlos, wie er es die ganze Zeit gewesen war.
Gunther sah Ula fragend an, als sie keine Anstalten machte, ebenfalls den Raum zu verlassen.
»Deine Schwester möchte Verantwortung übernehmen«, sagte Carlo. »Und ich denke, wir sollten sie ihr geben.«
Gunther sparte sich einen Kommentar, aber er konnte seine Überraschung nicht verbergen.
»Wir haben viel zu besprechen«, sagte Carlo.
»Da hast du recht. Womit sollen wir anfangen?«, fragte Gunther.
»Mit deinem Bruder, würde ich sagen … Reagan wird von der Polizei gesucht. Bis jetzt nur als Zeuge.«
»Das war klar, nach der Sache mit Claude. Ich hab dem Burschen nie getraut«, sagte Gunther und stieß ein böses Lachen aus.
»Keiner von uns hat das«, sagte Ula.
Gunther räusperte sich. »Was genau ist eigentlich passiert?«, fragte er.
»Reagan und Claude haben eine Crystal-Küche betrieben«, sagte Hardy. »Das hat jemandem nicht gepasst, und er hat Claude umgelegt. Wir können von Glück sagen, dass Reagan nicht dort war. Sonst wäre er jetzt auch tot.«
»Wenn der
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