Der Himmel über Garmisch (German Edition)
Treppe hinauf in den ersten Stock. Am oberen Treppenabsatz stand Carlo Unterwexler und umarmte die Neuankömmlinge zur Begrüßung. Sie verschwanden in seinem Arbeitszimmer. Jemand rempelte ihn zur Seite. Es war Gunther Unterwexler. Eine Entschuldigung erhielt Schwemmer so wenig, wie er sie erwartet hätte. Gunther lief die Treppe hinauf und folgte den anderen in das Zimmer.
Wenige Augenblicke später zog der hünenhafte Mann an der Eingangstür sein Handy aus der Tasche. Das Gespräch dauerte nur Sekunden. Er sah sich um. Als er Schwemmer entdeckte, kam er auf ihn zu.
»Herr Unterwexler bittet Sie zu gehen«, sagte er.
»So plötzlich?«, fragte Schwemmer und lächelte.
Als Antwort deutete der Hüne wortlos auf die Garderobe. Schwemmer ließ sich seinen Mantel geben. Der Mann half ihm hinein, hielt ihm das Handy hin, das Lepper ihm abgenommen hatte, und schob ihn mit sanfter Gewalt aus der Haustür.
***
Aleko ließ sich von Levan den Geschenkkorb geben und stellte ihn auf Carlos Schreibtisch.
»Brot und Salz«, sagte er. »Alles Gute und Gottes Segen für dein neues Haus.«
Hardy füllte die Gläser mit dem polnischen Wodka, den Carlo direkt von einem Danziger Brenner bezog. Man stieß an und nahm in der Sitzgruppe Platz. Hardy blieb an der Bar stehen.
»Warum lässt du die Polizei herein?«, fragte Aleko.
»Meine Tochter hatte den Mann eingeladen. Ein Irrtum von ihr. Aber es schien mir ein Gebot der Höflichkeit und der Klugheit, ihn nicht zu sehr vor den Kopf zu stoßen.«
Aleko nickte. Er trank sein Glas leer, und Hardy beeilte sich, es wieder aufzufüllen.
»Danke, mein Freund«, sagte Aleko mit einem Lächeln.
Hardy sah zu Carlo und bemerkte, dass seine Augenlider flatterten.
»Es ist nicht schön zu wissen«, fuhr Aleko ernst fort, »dass ein Feind im Haus ist. Und die Polizei ist mein Feind. Immer gewesen. Sie war schon der Feind meines Vaters und der meines Großvaters. Und sie ist der Feind meines Sohnes.«
»Es ist ein großes Fest«, sagte Carlo. »Mit vielen Gästen. Jungen und alten. Du wirst verstehen, dass ich nicht für jeden garantieren kann. Aber wir bemühen uns. Der Mann hat das Haus bereits verlassen.«
»Das ist schön. Wird Boris auch kommen?«
»Er ist eingeladen, hat aber nicht zugesagt.«
»Das wäre auch nicht seine Art«, sagte Aleko.
Levan und Gunther saßen schweigend dabei, während ihre Väter redeten. Nach einer kühlen Begrüßung hatten sie einander keinen Blick gegönnt.
»Wann werden wir euch wieder erwarten können, in Nürnberg?«, fragte Aleko.
»Bald«, sagte Carlo und holte tief Luft. »Gunther berichtet mir von Problemen.«
»Ja. Ich hörte davon. Aber die größten Probleme scheint nicht Gunther zu haben. Sondern Reagan.«
Carlo senkte den Blick. Er sprach leise. »Ich kann ihm nicht helfen. Ich weiß nicht, wo er ist und was er tut.«
»Reagan ist verschwunden«, sagte Gunther nun. »Seine Probleme sind seine Probleme. Aber meine Probleme sind unsere Probleme.« Den warnenden Blick seines Vaters erwiderte er trotzig.
Aleko wandte ihm langsam den Kopf zu. »Wenn du von ›uns‹ sprichst, wen meinst du dann?«
Carlo intervenierte. »Gunther meint, dass Reagan sich außerhalb der Familie gestellt hat. Ich hoffe sehr, dass er den Weg zurück findet.«
»Nein, das meint er nicht.« Es war der erste Satz, den Levan hören ließ. Er sprach scharf. »Er meint, dass wir ein Problem miteinander haben. Er und ich.«
»Levan, bitte …« Sein Vater legte ihm die Hand auf den Unterarm. »Wir haben von den Verdächtigungen gehört, die die Polizei in Nürnberg streut. Und wir vertrauen darauf, dass ihr unserem Wort Glauben schenkt. Deshalb sind wir hier. Gemeinsam. Die Familie Parashvili hat nichts zu tun mit den Angriffen auf eure Männer.«
Gunther sah seinen Vater an und hob die Hände. Was hab ich dir gesagt?, bedeutete diese Geste, und sie war unverhohlen.
»Ich glaube dir das.« Carlo klang heiser. »Und ich glaube dir das gerne.« Er zögerte. »Aber ich fürchte, die Art von Vertrauen, wie sie zwischen uns alten Männern herrscht, ist bei unseren Söhnen aus der Mode geraten. Vielleicht kann Levan uns allen hier ebenfalls versichern, dass es nicht seine Männer sind, die uns angreifen.«
Aleko trank seinen Wodka leer und sah zu Hardy, der sich beeilte nachzuschenken. »Vielen Dank … Es gab eine Zeit, da hätte ich so ein Ansinnen als schwere Beleidigung aufgefasst. Sogar von dir, mein Freund.« Er seufzte, dann trank er. »Aber die Zeiten
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