Der Himmel über Garmisch (German Edition)
Oberinspektor Krengel sein, der Einlass begehrte. Schafmann schloss den Klettverschluss des Blutdruckmessgerätes und brüllte »Herein«, in der Hoffnung, Krengel einen Schrecken einzujagen. Krengels Gesicht nach war es ihm gelungen.
»Wegen dem toten Bauern«, sagte er. »Also dem Brugger, da sollte ich doch nachfragen.«
»Ja. Das war vorgestern.«
Die Manschette des Blutdruckmessgerätes blies sich mit einem knarrenden Geräusch auf.
»Ja. Verzeihen S’, dass es so lang gedauert hat, aber der Arzt, wo den Totenschein ausgestellt hat, der war … nicht da.«
»Verstehe. Und?«
»Ja, jetzt ist er da.«
»Krengel, bitte …«
Schafmann sah verdrossen auf die Digitalanzeige. Beide Werte deutlich über so lala. Bei den Tabletten, die er nahm, war das nicht gut genug.
»Ja, also er ist da und hat gesagt, also das wär schon so was gewesen, mit dem Bruggerbauer.«
Ich bringe ihn um, dachte Schafmann. Morgen bringe ich ihn um. Er öffnete den Klettverschluss des Blutdruckmessgerätes und beschloss, sich einen Termin bei seinem Hausarzt geben zu lassen.
» Was ist gewesen mit dem Bruggerbauern?«
»Ja, so ganz sicher war er nicht, der Doktor, ob das wirklich das Herz gewesen ist.«
»Was heißt nicht ganz sicher?«
»Ja, er sagt, am Anfang hätt er gedacht, dass die Tochter eigentlich nicht so richtig traurig war, dass der Vater von ihr gegangen ist.«
Von ihr gegangen, dachte Schafmann. Das kann nicht wahr sein.
»Aber medizinisch hat er nichts gefunden?«, fragte er. »Oder sollen wir ihn wieder ausgraben?«
»Nein nein. Der Doktor sagt, er glaubt schon, dass es ein Herzinfarkt war.«
»Er glaubt es.«
»Ja. Aber die Tochter, sagt er, die hätte ihm nicht gefallen.«
Schafmann nickte nachdenklich. »Wie heißt der Doktor?«, fragte er.
»Äh …« Krengel blätterte in seinen Notizen. »Ruckriegel. Dr. Ruckriegel. Baderseestraße 9.«
Schafmann malte ein paar Kringel auf einen Notizzettel. »Herr Oberinspektor Krengel«, sagte er, »das haben Sie gut gemacht. Wenn Sie jetzt bitte noch dafür sorgen könnten, dass die Pressemitteilung und das Foto des Toten an die üblichen Medien rausgehen, wäre ich Ihnen dankbar.«
Er freute sich sehr auf das Wochenende.
***
»Aleko wollte mir die Nummer von Boris nicht geben. Das darf er angeblich nicht. Aber er sagt ihm, dass du ihn sprechen willst.«
»Für wen hält der Kerl sich? Wladimir Putin?«
»An Selbstbewusstsein mangelt’s ihm jedenfalls nicht.«
Hardys Handy vibrierte in der Innentasche seines Jacketts. Er sah aufs Display und drückte die Nummer weg. »Privat«, sagte er auf Carlos fragenden Blick hin. »Meine Quelle bei den Bullen. Ich hab Namen und Adresse von dem Mädchen, das Ronald angezeigt hatte.«
»Was hast du mit ihr vor?«
»Ich bin nicht sicher. Wenn Claude sie eingeschüchtert hat, wird sie mit mir genauso wenig reden wie mit den Bullen. Ich müsste ihr mehr Angst einjagen, als er es getan hat, und ich weiß nicht, ob das schlau wäre.«
»Nein, das wäre es nicht. Rede mit ihr, aber mach es freundlich. Biete ihr Geld an, wenn es was nützt. Scheiße … wenn alle Stricke reißen, muss ihn halt der Anwalt raushauen. Aber es kotzt mich an. Mehr als die andere Sache.«
»Ja. Aber die ist ungleich gefährlicher.«
Carlo schüttelte den Kopf. »Wie irgendeine kleine Wurst kommt man sich vor. Sitzt hier rum und wartet darauf, angerufen zu werden.« Er sah hinüber zur Bar, sagte aber nichts.
»Willst du was trinken?«, fragte Hardy.
»Scheiße ja.« Er sah aus, als ärgere er sich über seine Antwort.
Hardy stand auf und schenkte an der Bar zwei Cognacs ein.
»Bring die Flasche gleich mit«, sagte Carlo.
Hardy stellte Gläser und Flasche auf dem Tisch ab. Carlo nahm ein Glas und steckte seine Nase hinein.
»Bei einem Schmock wie diesem Boris muss ich betteln, dass er mich anruft, mein Sohn legt einfach auf, wenn ich mit ihm rede, und meine Tochter stellt Forderungen. Wer bin ich eigentlich noch?« Mit einer schnellen Bewegung kippte er den Cognac. »Wieso nimmt mich keiner mehr ernst?«
Hardy nippte schweigend an seinem Glas.
»Sag es mir. Warum nicht?«
Hardy räusperte sich, bevor er antwortete. »Weil du es selbst nicht tust.«
Carlo sah ihn verwundert an. »Ist das dein Eindruck?«
»Ja. Du traust dir nichts mehr zu. Du versteckst dich und wunderst dich, dass dich keiner mehr sieht.«
Carlo schenkte sich nach und nickte gedankenverloren.
»Ich hab mit der Frau gesprochen, von der ich erzählt
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