Der Hinterhalt
Tempo als sonst. Die Schuld dafür gab ich meinem Schlafmangel.
Es war beinahe Mittag, als Jared und Michael mit ihrem Mietwagen vorfuhren. Wir würden uns ziemlich beeilen müssen, wenn ich meinen Flug noch erwischen wollte. Da Jared fuhr, war Tempo jedoch kein Thema. Er riss den Wagen herum, und Michael lehnte sich zum Fenster auf der Beifahrerseite hinaus. »Joe«, rief er mir zu, als das Auto zum Stehen kam, »dein Streitwagen ist da!« Er breitete die Arme weit aus, um mich zu begrüßen. »Komm her und lass dich umarmen, du hässlicher Mistkerl.«
Ich hob meine Tasche auf und ging zum Auto. Die letzte Stunde hatte ich auf dem Bürgersteig vor einer Macy’s-Filiale Leute beobachtet. Ich hatte ihnen dabei zugesehen, wie sie in das Einkaufszentrum schlenderten, um ihren Tag damit zu verbringen zu entscheiden, in welchen Jeans ihr Hintern am kleinsten aussah oder welcher Fernseher am besten in ihr Wohnzimmer passte. Es gab Momente, in denen ich eifersüchtig war, doch mein Leben – unser Leben – wird nie so normal sein. »Ihr seid spät dran, Leute«, sagte ich, als ich auf Michaels ausgebreitete Arme zuging.
»Besser spät als nie«, flüsterte Michael mir zu, als er mich mit einer ungestümen Umarmung an sich zog. »Steig ein. Wir müssen los.«
Ich warf meine Tasche auf die Rückbank und kletterte hinterher.
»Jared.« Ich begrüßte meinen alten Freund mit einem kurzen Nicken, als sich unsere Blicke im Rückspiegel trafen.
»Wie geht’s, Joey? Ich nehme an, alles ist glatt gelaufen?« Er schenkte mir ein breites Grinsen.
»So einfach war’s noch nie. Keine Probleme. Was ist mit euch, Leute?«
»Du brauchst nichts ›anzunehmen‹«, sagte Michael. Er warf mir ein Exemplar der New York Post auf den Schoß. »Du fauler Sack hast es nicht mal in die Zeitung geschafft.« Ich warf einen Blick auf die Titelseite. Über einem Foto von zwei blutigen, mit ehemals weißen Laken zugedeckten Leichen prangte die fett gedruckte Überschrift: »Blutbad in der Bronx«. Unter dem Foto, in kleinerer Schrift, stand zu lesen: »Mets nehmen den Phillies zwei Punkte ab und rücken bis auf einen heran.«
»Heilige Scheiße«, sagte ich und blätterte auf Seite drei vor, um den Artikel zu lesen. »Irgendwann bringt ihr euch noch ins Grab.« Ich warf abermals einen Blick auf das Foto und die Überschrift. »Und mich bringt ihr mit euch ins Grab.«
»Sie haben mir und Michael gesagt, dass sie die Sache aufheizen möchten. Tja, Michael ist vielleicht ein bisschen zu weit gegangen.« Jared sah mich erneut im Rückspiegel an. Sein Lächeln war noch immer nicht verschwunden. Er war stolz, stolz auf Michael, stolz auf den Job, den wir soeben erledigt hatten, stolz auf uns alle. Ich begann zu lesen.
Vergangene Nacht um 00:35 Uhr wurden vor der Yankee Tavern, einer gut besuchten Bar in der Nähe des Yankee-Stadions, zwei Männer erstochen. Joseph Delentano und Andrew Braxton wurden beim Verlassen der Bar überfallen, in der sie nach dem Besuch eines Spiels der Yankees etwas getrunken hatten. Der Angreifer ging zuerst auf Delentano los und stach ihm zweimal in die Brust, ehe er sich Braxton zuwandte und ihm in den Hals stach. Beide Männer starben binnen weniger Minuten nach dem Überfall. Zeugen zufolge verlor der Angreifer, ein etwa fünfundzwanzigjähriger Weißer, keine Zeit. Er hielt sich nicht damit auf, die Opfer zu berauben, und schien auch sonst kein Tatmotiv zu haben. »Ich war den ganzen Abend mit Joe und Andy zusammen«, sagte deren Freund Steven Marcomi. »Wir waren nur für ein oder zwei Getränke in der Bar. Ich hatte den Täter noch nie in meinem Leben gesehen. Und ich habe so etwas noch nie in meinem Leben gesehen. Schließlich sind wir nicht in einen Streit geraten oder so. Ich habe keine Ahnung, wieso das passiert ist.« Das Motiv ist weiterhin unklar, die Polizei geht jedoch davon aus, dass es sich um das Werk eines erfahrenen Killers handelt. »Wer auch immer dafür verantwortlich ist«, erklärte Lieutenant John Gallow heute am frühen Morgen Journalisten, »wusste genau, was er tat. Er war effizient und präzise.« Andrew verblutete am Tatort. Delentano erlitt Stichverletzungen an der Lunge. »Genau genommen ertrank Delentano in seinem eigenen Blut«, teilte der amtliche Leichenbeschauer mit. »Beide Lungenflügel wurden durch Stiche verletzt und füllten sich schnell mit Blut. Letztendlich ertrank der arme junge Mann.« Delentanos Mutter sagte dem Verfasser dieses Artikels: »Ich begreife einfach nicht,
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