Der Historiker
Kissen türmten. Darüber, an den weiß getünchten Wänden, hingen Drucke und Gemälde von Istanbul, das Porträt eines alten Mannes mit einem Fez und das eines jüngeren in einem schwarzen Anzug, daneben ein gerahmtes Pergament mit fein ausgeführter arabischer Kalligrafie. Es gab verblichene sepiafarbene Fotografien von der Stadt und eine Vitrine mit einem Kaffeeservice aus Messing. In den Ecken standen farbenprächtige glasierte Vasen, die randvoll mit Rosen waren. Den Boden bedeckten langflorige Teppiche in Karminrot, Rosé und Pistaziengrün. In der Mitte des Raumes befand sich ein großes rundes Messingtablett auf Füßen, leer und blank poliert, das auf das nächste Mahl zu warten schien.
›Es ist sehr schön‹, sagte Helen an unseren Gastgeber gewandt, und ich dachte, wie hübsch sie aussehen konnte, wenn ihre Aufrichtigkeit die harten Linien um Mund und Augen weicher werden ließ. ›Wie in Tausendundeiner Nacht.‹
Turgut Bora lachte und wischte das Kompliment mit großzügiger Geste beiseite, aber es freute ihn ganz eindeutig. ›Das ist meine Frau‹, sagte er. ›Sie liebt alte Kunst und altes Handwerk, und ihre Familie hat ihr viele herrliche Stücke mitgegeben. Vielleicht ist hier irgendwo sogar etwas aus Sultan Mehmeds Reich.‹ Er lächelte mich an. ›Ich koche nicht so gut Kaffee wie sie – wenigstens sagt sie das –, aber ich werde mein Bestes geben.‹ Er platzierte uns dicht nebeneinander auf den niedrigen Möbelstücken, und ich dachte voller Wohlbehagen an all diese althergebrachten Objekte, die solche Gemütlichkeit ausstrahlten: Kissen, Diwane und natürlich auch die Ottomane.
Boras ›Bestes‹ entpuppte sich als Mittagessen, das er aus einer kleinen Küche jenseits der Diele herüberbrachte, wobei er unsere ernst gemeinten Hilfsangebote strikt ablehnte. Wie er in so kurzer Zeit eine ganze Mahlzeit improvisieren konnte, ging über meine Vorstellungskraft – die Dinge mussten für ihn bereitgestanden haben. Er brachte Soßen und Salate auf Tabletts herein, eine Schale mit Melonenstückchen, ein Fleisch-Gemüse-Gericht, Hähnchenfleisch-Spieße, den allgegenwärtigen Jogurt mit Gurkenwürfelchen, Kaffee und wahre Berge von Mandel- und Honiggebäck. Wir langten genussvoll zu, und Bora tat uns immer wieder auf, bis wir stöhnten. ›Nun‹, sagte er, ›meine Frau soll nicht denken, dass ich Sie habe verhungern lassen.‹ Zum Abschluss gab es ein Glas Wasser mit etwas Weißem, Süßem in einem Schälchen daneben. ›Mit Rosenöl‹, sagte Helen. ›Sehr schön. Das gibt es in Rumänien auch.‹ Sie ließ ein wenig davon in ihr Glas tropfen und trank es. Ich folgte ihrem Beispiel, obwohl ich nicht sicher war, was das Wasser später mit meiner Verdauung anrichten würde, aber das war jetzt nicht der Moment für derlei Sorgen.
Als wir fast platzten, lehnten wir uns auf unserem Diwan zurück, und ich begriff, wozu diese niedrigen Liegesofas gut waren: zum Ausruhen nach einem ausgiebigen Mahl. Bora betrachtete uns mit Genugtuung. ›Sind Sie sicher, dass es ausreichend war?‹ Helen lachte, und ich stöhnte etwas, aber Bora füllte unsere Gläser und Kaffeeschalen trotzdem nach. ›Sehr gut. Nun lassen Sie uns über die Dinge reden, die wir noch nicht diskutieren konnten. Zunächst einmal erstaunt mich der Gedanke, dass auch Sie Professor Rossi kennen, aber ich verstehe Ihre Verbindung nicht ganz. Er ist Ihr Doktorvater, junger Mann?‹ Bora ließ sich auf einer Ottomane nieder und beugte sich mit erwartungsvoller Miene in unsere Richtung.
Ich warf Helen einen Blick zu, und sie nickte leicht. Hatte das Rosenöl ihren Argwohn besänftigt? ›Nun, Professor Bora, ich fürchte, wir waren bis jetzt nicht ganz offen zu Ihnen‹, bekannte ich. ›Aber wissen Sie, wir sind in einer sonderbaren Sache unterwegs und wussten nicht, wem wir trauen konnten.‹
›Verstehe.‹ Er lächelte. ›Vielleicht sind Sie klüger, als Sie denken.‹
Das ließ mich innehalten, aber Helen nickte noch einmal, und ich fuhr fort: ›Professor Rossi ist von besonderem Interesse für uns, nicht nur weil er mein Doktorvater ist, sondern weil einige der Informationen, die er uns gegeben hat… mir… weil er… Nun, er ist verschwunden.‹
Boras Blick war stechend. ›Verschwunden, mein Freund?‹
›Ja.‹ Zögernd erzählte ich ihm von meinem Verhältnis zu Rossi, der Betreuung meiner Dissertation durch ihn und dem merkwürdigen Buch, das ich an meinem Platz in der Bibliothek gefunden hatte. Als ich anfing, das
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