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Der Historiker

Der Historiker

Titel: Der Historiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Kostova
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waren Sie zuletzt hier?‹
    ›Ungefähr vor drei Wochen‹, sagte Bora grimmig. ›Warten Sie bitte, ich gehe zu Mr Erozan und frage ihn. Bleiben Sie hier.‹ Als er aufstand, sah das der aufmerksame Bibliothekar und kam ihm entgegen. Sie wechselten ein paar schnelle Worte.
    ›Was sagt er?‹, fragte ich.
    ›Warum hat er mir das nicht früher gesagt?‹, stöhnte Bora. ›Gestern war ein Mann hier und hat den Kasten durchgesehen.‹ Er befragte seinen Freund weiter, und Mr Erozan machte eine Geste zur Tür hinüber. ›Es war der Mann von eben‹, sagte Turgut Bora und zeigte ebenfalls zur Tür. ›Er sagt, es war der Mann, der gerade eben hier war und mit dem er gesprochen hat.‹
    Wir alle sahen entgeistert zur Tür, aber es war zu spät. Der kleine Mann mit der Kappe und dem grauen Bart war nicht mehr da.«
     
     
    Barley wühlte in seiner Brieftasche. »Wir werden alles umtauschen müssen, was ich habe«, sagte er mürrisch. »Ich habe das Geld von Rektor James und noch selbst ein paar Pfund.«
    »Ich habe genug dabei«, sagte ich. »Ich kaufe die Fahrkarten, und ich denke, ich habe auch genug für ein paar Tage Verpflegung und die Übernachtungen.« Insgeheim fragte ich mich jedoch, ob ich Barley tatsächlich satt bekommen könnte. Komisch, dass jemand, der so dünn war, einen solchen Appetit entwickelte. Ich selbst war auch eher dünn, aber ich konnte mir nicht vorstellen, zwei Sandwiches mit dem Tempo herunterzubringen, wie Barley es gerade vorgemacht hatte. Die Sorge um das Geld nagte an mir, bis wir endlich am Schalter der Wechselstube standen und eine junge Frau in einem dunkelblauen Blazer über die Theke zu uns herübersah. Barley fragte sie nach dem Wechselkurs, und wenig später griff sie nach dem Telefonhörer und wandte sich ab, als sie sprach. »Was macht sie da?«, fragte ich Barley nervös.
    Er sah mich überrascht an. »Sie muss aus irgendeinem Grund nach dem Wechselkurs fragen«, sagte er. »Ich weiß nicht. Was meinst du?«
    Ich konnte es nicht erklären. Vielleicht lag es an den Briefen meines Vaters, aber alles wirkte auf mich im Moment verdächtig. Es war, als folgten uns überallhin Augen, die ich selbst nicht sehen konnte.
     
     
    Turgut Bora, der geistesgegenwärtiger zu sein schien als ich, eilte zur Tür und verschwand in der kleinen Eingangshalle. Eine Sekunde später war er jedoch schon zurück und schüttelte den Kopf. ›Er ist weg‹, sagte er mit schwerer Stimme. ›Keine Spur von ihm auf der Straße. Er ist in dem Gedränge verschwunden.‹
    Mr Erozan schien sich zu entschuldigen, und Bora redete kurz mit ihm. Dann wandte er sich wieder uns zu. ›Haben Sie irgendeinen Anlass anzunehmen, dass man sie hierher verfolgt hat, bei Ihren Nachforschungen?‹
    ›Verfolgt?‹ Natürlich hatte ich allen Anlass, aber von wem genau, das war mir völlig schleierhaft.
    Turgut Bora sah mich prüfend an, und ich musste an die Zigeunerin vom Abend zuvor denken. ›Mein Freund, der Bibliothekar, sagt, der Mann wollte die Dokumente noch einmal einsehen und war ärgerlich, als er herausfand, dass wir sie bereits hatten. Er sagt, der Mann sprach Türkisch, aber mit einem Akzent, und er denkt, es ist ein Ausländer. Deshalb habe ich gefragt, ob Ihnen jemand folgt. Meine Gefährten, lassen Sie uns gehen, aber aufmerksam bleiben. Ich bitte meinen Freund, auf die Dokumente aufzupassen und Notizen zu machen über diesen Mann oder sonst alle, die sie sich ansehen. Er wird versuchen herauszufinden, wer der Mann ist, wenn er zurückkommt. Wenn wir gehen, kommt er vielleicht eher zurück.‹
    ›Aber die Karten!‹ Es machte mir Sorgen, diese wertvollen Dokumente in dem Kasten zu lassen. Wie weit waren wir überhaupt gekommen? Wir hatten noch nicht einmal angefangen, das Rätsel der drei Karten zu lösen, sondern standen nur da und betrachteten ihre geheimnisvolle Wirklichkeit auf dem Bibliothekstisch.
    Bora wandte sich wieder Mr Erozan zu, und zum Zeichen des gegenseitigen Verständnisses schien ein Lächeln zwischen ihnen hin und her zu wechseln. ›Machen Sie sich keine Sorgen, Professor‹, sagte Bora zu mir. ›Ich habe all diese Dokumente eigenhändig kopiert, und die Kopien liegen sicher in meiner Wohnung. Im Übrigen wird es mein Freund nicht erlauben, dass den Originalen etwas zustößt. Sie können mir glauben.‹
    Ich wollte es und ließ mich darauf ein. Helen sah unsere beiden neuen Bekannten forschend an, und ich fragte mich, was sie wohl von alldem hielt. ›In Ordnung‹, sagte

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