Der Hobbit
Ungeschicktesten wurden noch reich belohnt. Väter baten uns händeringend, ihre Söhne in die Lehre zu nehmen – wofür wir sie tüchtig bezahlen ließen, besonders mit Nahrungsmitteln, so dass wir uns darum nicht mehr zu kümmern brauchten. Es waren herrliche Zeiten, und noch die Ärmsten von uns hatten so viel Geld, dass sie es verleihen konnten, und alle hatten Zeit für die schönen Dinge, die man rein zum Vergnügen macht, um von dem wundervollen Zauberspielzeug gar nicht zu reden, wie man es heutzutage auf der ganzen Welt nicht mehr findet. So füllten sich die Hallen meines Großvaters mit Juwelen, Rüstungen, Pokalen, Schnitz- und Steinmetzarbeiten, und der Spielzeugmarkt von Thal war das Wunder des Nordens.
Und sicherlich war es dieser Reichtum, der den Drachen anzog. Drachen, wie man weiß, rauben Gold und Edelsteine, wo immer sie finden, egal ob von Menschen, Elben oder Zwergen; und sie bewachen ihre Beute, solange sie leben (das heißt ewig, wenn niemand kommt und sie tötet), können sich aber gar nicht daran freuen und geben keinen Messingring davon je wieder her. Sie können kaum gute von schlechter Arbeit unterscheiden, haben aber meistens eine zutreffende Vorstellung vom aktuellen Marktwert einer Sache. Selber machen können sie gar nichts, nicht mal eine lose Schuppe an ihrem Panzer wieder festkleben. Im Norden gab es damals einige Drachen zu viel, und das Gold wurde wohl schon knapp, weil die Zwerge nach Süden flohen oder getötet wurden. Die Verwüstungen, wie Drachen sie anrichten können, wurden von Tag zu Tag schlimmer. Ein besonders habgieriger, starker und schlauer Wurm namens Smaug kam eines Tages nach Süden geflogen. Das Erste, was wir von ihm hörten, war ein Lärm, wie wenn ein Hurrikan von Norden heranbrauste, und die Kiefern auf den Berghängen knarrten und knackten im Wind. Manche von den Zwergen, die gerade draußen waren, darunter auch ich – ein abenteuerlustiger Jüngling, der ich damals war, immer unterwegs, und das rettete mir an dem Tag das Leben – nun, wir sahenaus einiger Entfernung, wie der Drache in einer Stichflamme auf unseren Berg herabstieß. Dann kroch er die Hänge hinunter, und als er zu den Wäldern kam, gingen sie in Flammen auf. Inzwischen läuteten in Thal alle Glocken, und die Krieger legten ihre Rüstungen an. Die Zwerge kamen aus dem Haupttor gestürmt, aber da stand der Drache und wartete auf sie. Nicht einer entkam auf diesem Wege. Der Fluss kochte und verdampfte, und der Nebel senkte sich über die Stadt Thal, und in dem Nebel kam der Drache über sie und vernichtete die meisten der Krieger – dieselbe traurige Geschichte, wie sie sich damals nur allzu oft abgespielt hat. Dann kroch er zurück und durchs Vordertor in den Berg hinein, durchstöberte sämtliche Hallen, Gänge, Tunnel, Gassen, Keller, Paläste und Alleen. Danach war im Innern kein Zwerg mehr am Leben, und er bemächtigte sich unseres Hab und Guts. Wahrscheinlich hat er nach altem Drachenbrauch tief im Innern alles auf einen Haufen geworfen und sich darauf schlafen gelegt wie auf einem Bett. Später ist er dann von Zeit zu Zeit wieder aus dem Tor herausgekrochen und nachts über Thal hergefallen, hat Menschen davongeschleppt, am liebsten Jungfrauen, um sie zu verspeisen, bis die Stadt in Trümmern lag und alle Menschen entweder tot oder geflüchtet waren. Wie es heute dort aussieht, weiß ich nicht mit Sicherheit, aber ich glaube nicht, dass jemand sich näher an den Berg heranwagt als bis zum Nordufer des Langen Sees.
Die wenigen von uns, die draußen und in sicherem Abstand waren, saßen in ihrem Versteck, weinten und verfluchten Smaug; und dort stießen unerwartet mein Vater und mein Großvater zu uns, beide mit versengten Bärten. Sie schauten sehr finster drein, sprachen aber sehr wenig. Als ichsie fragte, wie sie davongekommen seien, sagten sie, halt den Mund; zur rechten Zeit würde ich es schon noch eines Tages erfahren. Dann sind wir fortgezogen, kreuz und quer durch die Lande, und mussten unseren Unterhalt verdienen, so gut wir konnten. Oft genug sind wir so tief heruntergekommen, dass wir als Hufschmiede arbeiteten oder uns mit dem Kohlebergbau abgeben mussten. Aber den Schatz, der uns geraubt wurde, haben wir nie vergessen. Und selbst jetzt, wo wir ein bisschen was auf die Seite gelegt haben und gar nicht so arm dran sind« – hier strich sich Thorin über die goldene Kette, die er um den Hals trug – »gedenken wir immer noch, ihn wiederzuerlangen und dem Drachen
Weitere Kostenlose Bücher