Der höchste Preis (German Edition)
Bullen. Die haben doch echt geglaubt, wir stünden kurzvor einem Bürgerkrieg. Und dachten wohl, je mehr Stoff wir in die Szene pumpen, desto bedröhnter und damit ungefährlicher werden die Typen. Nach dem Motto: Am Morgen ein Joint und der Tag ist dein Freund. Von den harten Sachen ganz zu schweigen. Also haben sie uns weitgehend in Ruhe gelassen.“
„Und dann?“
„Dann war ich plötzlich zehn Jahre älter, also Ende zwanzig, hatte ein nettes Sümmchen auf der Bank, natürlich nicht hier in Deutschland, und da ich mein Glück nicht länger strapazieren wollte, bin ich solide geworden und hab geheiratet.“
„Du warst verheiratet?“
„Was heißt hier war?“, erwiderte Schott belustigt. „Ich bin’s immer noch. Seit nunmehr sechsundzwanzig Jahren. Mittlerweile zwar nur noch auf dem Papier, aber immerhin.“
„Und mit wem?“
„Mit einer Frau natürlich.“
„Depp. Jetzt erzähl schon ...“
„Sie war, oder besser gesagt, ist immer noch Reiseleiterin. Im Augenblick in so einem Kaff am Roten Meer. Na ja, was soll ich viel erzählen, ich habe sie einfach begleitet, nach Spanien, auf die Kanaren, in die Türkei, später dann sogar nach Kenia und Sri Lanka, habe erst Hausmann gespieltund dann angefangen, für verschiedene Zeitungen und Magazine zu schreiben, erst Reiseberichte, später dann auch politische Reportagen und so.“
„Einfach so?“
„Na ja, ich kannte aus meiner Zeit als Dealer noch eine Menge Leute, von denen etliche später groß Karriere gemacht haben, gerade im Medienbereich. So ähnlich bin ich auch zum Drehbuchschreiben gekommen. Nachdem wir uns getrennt hatten, sie wollte Kinder, ich nicht, bin ich zurück nach Berlin, um zu schauen, was nach dem Fall der Mauer so los ist. Dabei habe ich eine Frau wieder getroffen, der ich in Kenia bei einer Wagenpanne mitten in der Pampa aus der Patsche geholfen hatte. Und die inzwischen als Filmproduzentin tätig war. Und mich gefragt hat, ob ich nicht mal ein Drehbuch schreiben möchte.“
„Braucht man dazu nicht eine Ausbildung?“
„Keine Ahnung. Vor allem braucht man Beziehungen, würde ich mal sagen.“
Weit draußen wurde ein Schiff sichtbar, ein Kreuzfahrtdampfer, der gemächlich Kurs in Richtung Süden hielt. Schott schwieg und dachte an den Zeitungsartikel, den er beim Frühstück in der „Süddeutschen Zeitung“ entdeckt hatte. Der besagt hatte, dass die Polizei infolge eines Hinweisesaus der Bevölkerung in den vergangenen Wochen ein Moorgebiet nördlich vom Chiemsee durchkämmt hatte. Und dass die dabei eingesetzten Leichenspürhunde auch fündig geworden waren, man einen bereits stark verwesten weiblichen Leichnam entdeckt habe, der inzwischen zweifelsfrei als die vor fünf Jahren verschwundene Steffie Rosenmüller identifiziert wurde.
Schott entschied, den Artikel vor Monika Hochstätter geheim zu halten.
49
Gruber war spät dran. Er fand einen Parkplatz gleich neben dem Eingang, nahm das Blumengebinde vom Beifahrersitz und stieg aus. Es hatte wieder angefangen zu schneien, dicke, schwere Flocken, und so setzte er noch schnell seinen Hut auf, ehe er ums Eck zur Aussegnungshalle stapfte. Als er eintrat, faselte der Geistliche gerade etwas von einem schweren Leben mit vielen Prüfungen, das nun friedlich zu Ende gegangen sei. Gruber hörte kaum hin. Religiöse Dinge interessierten ihn schon lange nicht mehr. Er warf nur kurz einen Blick auf den Anwesenden, inklusive Schott keine zehn Leute, die meisten davon Frauen mittleren Alters. Setzte sich dann in die letzte Reihe und sinnierte darüber, wie es bei ihm mal zugehen würde. Oder sollte. Auf keinen Fall irgendwelche dummen Reden, entschied er. Lügen hatte er sich in seinem Leben genug angehört, da wollte er wenigstens als Toter davon verschont bleiben. Auf den Segen der Kirche könnte er ebenfalls verzichten, auch wenn er formal immer noch Mitglied in diesem Verein war. Auf jeden Fall aber Musik. Viel Musik. Vielleicht in der Art dieser Band „Quadro Nuevo“, die er vor Weihnachten im NUTS gehört hatte. Etwas Fetziges wie diesen Säbeltanz, dazu ein paarSchlager und Hits aus seinen Jugendjahren, aus seinen Jahren mit Schott. Und zum Abschluss vielleicht noch „Shall we gather at the river.“
Er schreckte auf, als Schott plötzlich vor ihm stand. Die kleine Trauergemeinde hatte sich bereits verstreut, nur die Nachbarin von Monika Hochstätter, die ihnen seinerzeit von dem geparkten Wagen erzählt hatte, ließ sich Zeit und blickte immer wieder neugierig zu
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