Der höchste Preis (German Edition)
zweihundert Leute verhört, sind unzähligen Hinweisen nachgegangen, aber nichts. Das Mädchen war und blieb wie vom Erdboden verschluckt. Einfach von der Schule nicht nachhause gekommen, aus.“
„Schrecklich. Vor allem auch für die Angehörigen, die mit dieser Ungewissheit Tag für Tag leben müssen.“
Gruber nickte grimmig. „Allerdings. Aber als dann im September zweitausendzwei die ebenfalls zwölfjährige Steffie Rosenmüller aus der Nähe von Tittmoning beim Spielen an der Salzach spurlos verschwand und wir nach Monaten immer noch mit absolut leeren Händen dastanden, war uns klar, dass hier ein Serientäter am Werk ist. Und zwar einer, der verdammt clever ist und keinen Wertauf irgendwelche perversen Spielchen legt, so wie im Kino, wo diese Typen die Bullen immer zu einer Art Wettkampf herausfordern ...“
„Indem sie zum Beispiel anhand der Opfer oder ihrer Mordmethoden Hinweise auf ihre Motive geben“, ergänzte Bischoff.
Gruber nickte heftig. „Genau von diesem Schwachsinn reden wir. Was sich jetzt im Fall der dreizehnjährigen Alexandra Huber aus Reit im Winkl auch bestätigt hat. Inzwischen sind acht Wochen vorbei, seit sie nach dem Besuch bei einer Freundin nicht mehr gesehen wurde, und wir haben nichts.“ Er schlug mit der Faust aufs Armaturenbrett. „Nichts und wieder nichts, verdammt nochmal.“
„Sie sind also überzeugt davon, dass es sich in allen Fällen um ein- und demselben Täter handelt?“
„Mit Sicherheit.“
„Hm, wenn keine Leichen aufgetaucht sind, wäre es theoretisch doch möglich, dass die Opfer noch am Leben sind, oder zumindest das letzte, diese Alexandra. Ich meine, denken Sie nur an diese Geschichte in Österreich. Über acht Jahre in einem Keller gefangengehalten.“
„Kann sein, ja ...“ Gruber schluckte schwer. „Ich frage mich nur, was schlimmer wäre.“
„Was sagt denn Ihr Täterprofil aus, soweit vorhanden?“
„Alleinstehend, zwischen fünfundzwanzig und fünfzig, introvertiert, unauffällig, hilfsbereit, der nette, etwas verschrobene Herr von nebenan.“
„Aber gerissen und absolut skrupellos, wenn es zur Sache geht ...?“
Gruber nickte nur.
„Und mit einem Haus mit Keller, falls er sie wirklich für eine Weile gefangen hält?“
„So ungefähr.“
„Mein Gott, dann müsste man ja jeden Mann im entsprechenden Alter und mit Hausbesitz im Raum Oberbayern überprüfen?“
„Ja. Und das auf einen Schlag, in einer einzigen Nacht, wenn es was bringen soll ...“
„Wahnsinn.“
Gruber blickte zu einem Hinweisschild hoch und hob die Hand. „Wir fahren bei der nächsten Ausfahrt raus ...“, bestimmte er.
„In Übersee? Wieso?“
„Wir schauen erst bei dieser Hochfelln-Klause vorbei. Kann nicht schaden, wenn wir erfahren, was er dort gemacht hat. Wenn er überhaupt dort war.“
6
Von Gruber dirigiert, lenkte Bischoff schon nach wenigen Minuten den Roadster über den kiesbestreuten Parkplatz der Klause, einem langgezogenen, fensterlosen Flachbau in unmittelbarer Nähe zur Autobahn. Sie stoppte direkt vor dem Eingang, stellte den Motor ab und blickte Gruber leicht irritiert an.
„Ich dachte, das wäre irgend so ein uriges Gasthaus“, sagte sie. „Aber das schaut mir eher nach einem Lagerhaus aus ...“
„War es auch mal, in den siebziger Jahren. Dann ein Teppichladen, ein Getränkegroßhandel und später hat mal so ein Depp versucht, hier einen Swingerclub aufzuziehen.“
„Und was erwartet uns jetzt?“
„Im Augenblick machen hier ein paar Münchner Typen auf exklusiven Nachtclub. Wobei allerdings allein die Preise exklusiv sind.“
„Sie hatten hier schon mal zu tun, hm?“ „Flüchtig ...“
Sie stiegen aus und gingen zum Eingang, einer massiven Metalltür ohne Klinke. Gruber drückte auf den seitlich von der Tür angebrachten Klingelknopf, holte gleichzeitig seinen Ausweis heraus und hielt ihn nach oben, ins Auge der über derTür installierten Videokamera. Gleich darauf standen sie im Foyer des Etablissements, einem rechteckigen, vollkommen leeren Raum mit Betonboden, wo eine hölzerne Schwingtür in den Servicebereich führte, mit einer Tanzbühne und den ringsum gruppierten Sitznischen im Hintergrund.
Gruber und der Barkeeper, ein unauffälliger Glatzkopf Ende vierzig mit Bauchansatz, kannten sich.
„Herr Kommissar, was für eine Ehre“, säuselte er. „Und heute in so reizender Begleitung ...“
Gruber und Bischoff blieben an der Theke stehen und schauten sich um. Soweit sie erkennen konnten, befanden
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