Der Höllenbote (German Edition)
wieder!«
»Das hoffe ich auch, Jimmy. Ich wünsche dir einen großartigen Tag.«
Aber bevor der Junge mit seinem Rad losfuhr, musterte er Dodd noch einmal. »Warum haben Sie den an? Ist Ihnen nicht heiß?«
Dodd trug den langen offiziellen Dienst-Regenmantel. »Mir? Nein, ich liebe die Hitze, Jimmy. Außerdem soll es in Kürze ein Gewitter geben.«
Jimmy warf einen Blick auf den wolkenlosen Himmel, dann zuckte er die Schultern. »Wenn Sie es sagen. Tschüss!«
»Bis später, Jimmy«, erwiderte Dodd und wandte sich dem nächsten Haus zu. Er hatte bisher erst fünf Adressen in der Straße geschafft, aber er hatte sich vorgenommen, alle zu erledigen, bevor die Polizei eintraf. Die Männer waren alle auf der Arbeit und hatten ihre Frauen allein zurückgelassen. Frauen waren am einfachsten und machten am meisten Spaß. Mit ein bisschen Glück, dachte Dodd, schaffe ich vielleicht sogar zwei oder drei Straßenblocks, bevor sie mich schnappen ...
Er wollte jedenfalls sein Bestes geben.
Er ging zur nächsten Tür – zu den McNamaras, Hausnummer 12408 – und klingelte. Sie öffnete sich ein paar Zentimeter und ein hübsches Gesicht lugte heraus.
»Hi, Mrs. McNamara. Ich bin’s nur, der Postbote. Ich habe eine Expresszustellung für Sie, für die ich Ihre Unterschrift brauche.«
»Ah, okay. Kommen Sie rein«, sagte die Frau und öffnete die Tür vollständig.
Dodd dankte ihr mit einem Lächeln und trat ein. Als er im Flur stand, von der Straße aus nicht mehr zu sehen, zog er die Machete hervor, die er unter dem Regenmantel versteckt hatte.
Einige Sekunden nachdem Jimmy O’Brady in das geräumige Haus im Kolonialstil an der Gatesman Lane gestürmt war, konnte er sich nicht länger bewegen, nicht schreien, nicht blinzeln. Er konnte nur starren und zittern. Er litt an etwas, das ein Arzt womöglich als reaktiven psychogenen Adrenalinschock bezeichnet hätte. Laienhaft ausgedrückt litt er darunter, dass ihm das Entsetzen in die Glieder gefahren war.
Eine rote Flüssigkeit glänzte auf den unbehauenen Feldsteinen der Diele. Unterbewusst erkannte er sofort, dass es sich um Blut handelte. Bewusst wollte sein Gehirn es nicht akzeptieren, vor allem, weil er wusste, dass die einzige andere Person im Haus seine Mutter war. Deshalb musste es ihr Blut sein.
Und es war eine Menge Blut. Es sah aus wie damals, als sein Vater in der Garage den Eimer mit dem zinnoberroten Lack, Sherwin-Williams No. 10, umgestoßen hatte. Eine riesige rote Pfütze.
Der enthauptete Leichnam seiner Mutter lag auf der Treppe, der Halsstumpf auf der untersten Stufe, sodass sie mithilfe der Schwerkraft noch schneller ausbluten konnte. In Jimmys Körper spielten sich eine Reihe gegensätzlicher Reaktionen ab: Sein Herz hämmerte, aber sein Blutdruck sank, sein Adrenalinspiegel war hoch, aber seine Knie wurden weich, sein Gehirn schrie nach Flucht, während sein Körper den Dienst versagte. Verteidigungsmechanismen kämpften gegen eine psychologische Überlastung an, die sein Bewusstsein aus dem Verkehr ziehen wollte.
Doch trotz seines jugendlichen Alters kehrte nach knapp einer weiteren Minute ein Funken Verstand in ihn zurück. Er blinzelte, seine Synapsen begannen wieder zu feuern. Er erkannte:
Meine Mutter ist ermordet worden.
Und es muss dieser Postbote gewesen sein, denn er hat mir gesagt, dass er gerade hier gewesen ist ...
Das Haus war still. Er blinzelte noch einmal und dann dachte er:
Ich muss die Polizei anrufen.
Er rannte zum Telefon in der Küche, sah, was sich dort befand, und schrie. Ja, der Postbote hatte ein Päckchen für ihn dagelassen. Der Kopf seiner Mutter lag ordentlich direkt neben dem Telefon auf dem Küchenschrank. Ihre Augen standen offen und sie schaute ihn an. Fast schien es, als lächele sie.
Jimmy konnte nur glotzen.
Seine Mutter lächelte tatsächlich. Ihre Lippen krümmten sich, und ihre Augen öffneten sich noch ein Stück weiter, während er sie anstarrte. »Jimmy«, sagte sie mit ihrer sanftesten, freundlichsten, süßesten Stimme. »Wie geht es dir, mein Schatz? Solltest du nicht irgendwo Rasen mähen?«
»M-M-Mom?«, stammelte Jimmy.
»So ein braver, braver Junge«, lächelte seine Mutter. »Wusstest du, dass dein Vater und ich eigentlich gar nicht vorhatten, Kinder zu bekommen? Er wollte mich nicht mal heiraten! Also hörte ich auf, die Pille zu nehmen, damit ich schwanger werde. Ich wusste, wenn ich schwanger bin, dann heiratet er mich. Er verdiente nicht schlecht und ich hatte keine Lust mehr, zu
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