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Der Hof (German Edition)

Der Hof (German Edition)

Titel: Der Hof (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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dickflüssig und schmeckt sehr kräftig, weshalb ich vermute, es könnte sich um Ziegenmilch handeln. Ich tunke das Brot hinein und bin überzeugt, damit nicht mal ansatzweise meinen Hunger stillen zu können. Aber wer mir das Essen hergerichtet hat, weiß es besser als ich. Nach wenigen Mundvoll vergeht mir der Appetit. Ich schiebe das Tablett beiseite und lege mich wieder hin.
    Für den Moment gesättigt, starre ich auf die dunklen Deckenbalken. Mein Fuß pocht wie ein Metronom. Ich weiß nicht, ob ich Patient oder Gefangener bin. Man kümmert sich anständig um mich, und wenn der Wald rund um den Hof voller illegaler Fallen ist, erklärt das, warum sie nicht das Risiko eingehen wollen, mich in ein Krankenhaus zu bringen.
    Aber nachdem ich mit meinen Gedanken so weit gekommen bin, schlagen sie eine düstere Richtung ein. Ich bin noch immer in einer Scheune eingesperrt, und niemand weiß, dass ich hier bin. Was würde passieren, wenn es mir plötzlich schlechter geht? Und was wird aus mir, wenn ich mich vollständig erholt habe? Lassen sie mich dann einfach wieder gehen?
    Verschwitzt und unruhig werfe ich mich auf der unebenen Matratze hin und her und versuche, eine bequeme Position zu finden. Irgendwann muss ich doch eingeschlafen sein. Ich bin wieder in dem Wäldchen und reibe an den Blutflecken auf dem Sicherheitsgurt herum. Sie gehen nicht raus, und der Gurt schlägt immer wieder gegen den Beifahrersitz. Das Schlagen wird lauter, und dann bin ich plötzlich wach und wieder auf dem Dachboden. Das Geräusch kommt von unten. Mir bleibt gerade noch genug Zeit, um zu realisieren, dass jemand die Stufen hochkommt. Dann wird der Riegel mit einem Kreischen zurückgezogen, und die Falltür fliegt auf.
    Mit einem Knall fällt die Klappe auf die Dielen. Ein Mann stapft die letzten Stufen herauf und hält eine Laterne hoch. Er ist in den Fünfzigern, dick wie ein Fass, mit stahlgrauen Haaren und einem von der Sonne zerfurchten Gesicht. Im Moment ist es zu einer wütenden Maske verzerrt, während sich seine Augen auf mich richten. Ein Jagdgewehr liegt in der anderen Hand. Es ist zwar nicht auf mich gerichtet, aber alles an dem Mann lässt keinen Zweifel daran, dass sich das schnell ändern kann.
    Ich setze mich auf und lehne mit dem Rücken an der Wand. Er stapft über die Dielen auf mich zu. Mathilde eilt hinter ihm die Stufen hoch.
    «Lass das! Nicht!»
    Er ignoriert sie. Am Fußende der Matratze bleibt er stehen und starrt mich finster an. Der gelbliche Schein der Laterne erschafft eine Höhle aus Licht um uns und taucht den Rest des Raums in tiefe Dunkelheit.
    «Verschwinden Sie», knurrt er. Ihn umgibt eine Aura aus unterdrückter Wut. Als könnte er sich gerade noch bezähmen, mich nicht aus dem Bett zu zerren.
    Mathilde greift nach seinem Arm. «Lass ihn doch wenigstens bis morgen früh …»
    Er schüttelt sie ab, ohne den Blick von mir abzuwenden. «Verschwinden Sie», wiederholt er.
    Ich habe wohl kaum eine Wahl. Ich schlage die Decke zurück und versuche so zu tun, als wäre mir meine Nacktheit egal. Dann hüpfe ich zu dem Toilettenstuhl und setze mich zum Anziehen darauf. Ich versuche, nicht vor Schmerz das Gesicht zu verzerren, als ich die Jeans über meinen verbundenen Fuß schiebe. Ich kann ihn unmöglich in einen Schuh stecken und stopfe deshalb den kaputten Wanderstiefel mit meinen anderen Sachen in den Rucksack. Nachdem das erledigt ist, stehe ich unsicher auf.
    Der Mann zeigt mit dem Gewehrlauf auf die Falltür. «Los jetzt», sagt er überflüssigerweise.
    «Ist ja schon gut, ich gehe», versichere ich ihm und versuche, wenigstens einen Rest Würde zu wahren.
    Und das will ich wirklich. Ich bin allerdings nicht sicher, ob ich es zum anderen Ende des Dachbodens schaffe. Ich zögere, dann straffe ich mich und mache mich auf den langen Weg zur Falltür. Mathildes Gesicht ist ausdruckslos, als ginge sie nichts an, was gerade passiert.
    Der Mann macht einen Schritt auf mich zu. «Bewegung.»
    Ich bin nicht in der Lage, Einwände zu erheben. Ich klammere mich mit beiden Händen an den Aluminiumrahmen meines Trekkingrucksacks und schiebe ihn vor mir her. Die Entfernung zur Falltür lege ich mit vielen langsamen, schlurfenden Sprüngen auf dem gesunden Bein zurück. Mathilde und ihr Vater folgen mir. Im Schein seiner Laterne sehe ich Gretchen mit dem Baby auf den Stufen stehen. Erstaunlicherweise schläft es noch, der Kopf lehnt schlaff an ihrer Schulter. Aber sie hat die Augen weit aufgerissen und sieht

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