Der Hof (German Edition)
verängstigt aus, als sie mir Platz macht.
Ich schiebe den Rucksack bis zu der Luke vor. Wut und Kränkung haben mich bis hierher getrieben, aber ich habe keine Ahnung, wie ich es die Treppe runter schaffen soll. Die sauberen Klamotten kleben schon wieder verschwitzt auf meiner Haut. Ich kann mich riechen – mein Schweiß stinkt nach Krankheit. Behutsam lasse ich mich nieder, und in der Lukenöffnung sitzend, stecke ich die Arme durch die Schulterriemen des Rucksacks. Dann schiebe ich mich vor, taste mit dem gesunden Fuß nach der ersten Stufe und verlagere mein Gewicht darauf. Ich halte mich an der Einfassung der Luke fest und empfinde ein gewisses Triumphgefühl, als ich auf die nächste Stufe hüpfe. Mir bleibt kaum Zeit, die raschen Schritte hinter mir zu registrieren, bevor mich jemand in den Rücken stößt und ich in die Dunkelheit stürze.
Die Luft wird mir aus den Lungen getrieben, als ich am Fuß der Treppe mit ohrenbetäubendem Getöse in Flaschen krache. Dann liege ich einfach nur perplex und atemlos dort, wo ich gelandet bin. Das Eigengewicht des Rucksacks drückt mich nieder. Ich versuche, mich hochzuhieven. Dann ist jemand an meiner Seite und hilft mir auf.
«Sind Sie okay?»
Es ist Mathilde. Ehe ich antworten kann, kommt ihr Vater die Stufen herunter. Das Licht von seiner Lampe flackert auf den überall verstreuten Flaschen. Hinter ihm kann ich im Schatten Gretchen erkennen. Das Baby ist aufgewacht und hat angefangen zu weinen, aber das scheint niemand zu bemerken. Wir befinden uns jetzt auf einer Art gezimmerter Galerie, die sich zwischen dem Dachboden und dem unteren Teil der Scheune befindet. Ich mache mich von Mathildes Händen los und packe einen Flaschenhals, kämpfe mich auf die Füße und stelle mich ihm.
«Bleiben Sie zurück!», schreie ich auf Englisch, weil mein Französisch mich gerade im Stich lässt. Warnend hebe ich die Flasche. Mein verletzter Fuß protestiert, als ich, um Gleichgewicht ringend, das Gewicht darauf verlagere.
Der Mann erreicht das untere Ende der Treppe. Er ist der Mittelpunkt der gelben Aura von seiner Laterne. Seine Hand umschließt das Gewehr, und er starrt die Flasche geringschätzig an. Dann macht er einen Schritt auf mich zu. Mathilde tritt dazwischen. «Lass das. Bitte.»
Ich bin nicht sicher, mit wem von uns beiden sie spricht. Aber ihr Vater bleibt stehen und starrt mich stumm und voll unverhohlenem Abscheu an.
«Ich habe doch versucht zu gehen!», schreie ich.
Meine Stimme ist wacklig. Das Adrenalin hat mich geschwächt; ich zittere. Plötzlich spüre ich das kalte Gewicht der Flasche in meiner Hand. Ich schwanke, und mir wird übel. Für einen Augenblick stehe ich wieder auf einer dunklen Straße, und eine andere Szene voller Blut und Gewalt spielt sich vor meinen Augen ab.
Ich lasse die Flasche fallen. Sie rollt über die staubigen Dielenbretter und stößt mit einem dumpfen Klackern gegen die anderen. Das Baby heult immer noch und windet sich in Gretchens Armen, aber niemand sagt ein Wort, als ich auf die nächste Treppe zuhumple. Fast augenblicklich geben meine Beine nach, und ich lande unsanft auf den Knien. Ich heule fast vor lauter Frust, aber ich habe nicht mehr die Kraft aufzustehen. Dann ist Mathilde wieder an meiner Seite und schiebt ihren Arm unter meinen.
«Ich schaffe das», behaupte ich bockig. Sie ignoriert meinen Einwand und schiebt mich gegen einen Holzbalken, ehe sie sich wieder an ihren Vater wendet.
«Er ist nicht in dem Zustand, irgendwohin zu gehen.»
Sein Gesicht wirkt hart im Laternenlicht. «Das ist aber nicht mein Problem. Ich will ihn nicht hier haben.»
Wenn Ihre Falle nicht wäre, wäre ich auch nicht hier, will ich einwenden, aber kein Laut kommt über meine Lippen. Mir ist schwindelig. Ich schließe die Augen und lehne den Kopf gegen den Balken. Ihre Stimmen wirbeln um mich herum.
«Er ist ein Fremder, darum konnte er das nicht wissen.»
«Das ist mir egal. Er bleibt nicht.»
«Ist es dir lieber, wenn die Polizei ihn abholt?»
Die Erwähnung der Polizei lässt mich den Kopf heben, aber die Warnung hat offensichtlich nichts mit mir zu tun. In meinem fiebrigen Zustand glaube ich zu erkennen, wie beide sich stumm miteinander messen. Erwachsene, die über den Kopf eines Kindes hinweg reden, das kein Wort versteht. Vermutlich wollen sie nicht, dass die Polizei von den Fangeisen erfährt, denke ich. Aber ich bin zu müde, um mich zu fragen, warum das so ist.
«Lass ihn nur für ein paar Tage bleiben», fleht
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