Der Holcroft-Vertrag - Ludlum, R: Holcroft-Vertrag
Brandmal... Ich muß ihn finden!
Helden saß direkt hinter dem Piloten in dem kleinen Wasserflugzeug. Sie spürte den Verband unter ihrem Rock; er lag straff an, behinderte aber den Kreislauf nicht. Die Wunde meldete sich immer wieder mit einem leichten Pochen, aber die Tabletten milderten den Schmerz; sie könnte wohl hinreichend gut gehen. Und wenn sie das nicht könnte, würde sie sich dazu zwingen.
Der Pilot lehnte sich zu ihr zurück. »Eine halbe Stunde nach der Landung wird man Sie zu einem Restaurant am See fahren, wo Sie ein Taxi in die Stadt bekommen können«, sagte er. »Sollten Sie während der nächsten zwei Wochen unsere Dienste benötigen, finden Sie uns an einer privaten Landestelle, die sich Atterrisage Medoc nennt. Es war mir ein Vergnügen, Sie an Bord zu haben.«
41.
Erich Kessler war kein gewalttätiger Mann, aber er billigte körperliche Gewalt, wenn sie praktischen Zielen diente. Er billigte sie als Beobachter und Theoretiker, nicht als Teilnehmer. Aber im Augenblick gab es keine Alternative und auch nicht genug Zeit, eine solche zu suchen. Er würde selbst an der Gewalttätigkeit teilhaben müssen.
Holcroft hatte ihm keine Wahl gelassen. Der Amateur hatte sich seine eigenen Prioritäten gesetzt und mit beunruhigender Einsicht gehandelt. Die Chromosomen Heinrich Clausens lebten in dem Sohn fort. Man mußte ihn wieder unter Kontrolle bringen.
Erich wählte sich aus den in der Halle anwesenden Menschen die Person aus, die er brauchte: einen Reporter, und seinem lässigen Verhalten nach zu schließen wahrscheinlich ein guter.
Kessler näherte sich dem Mann; er sprach mit leiser Stimme. »Sie sind doch der Journalist vom... vom...«
» Genève Soir «, sagte der Reporter.
»Schrecklich, was passiert ist. Der arme Mann. Eine Tragödie. Ich stehe schon eine ganze Weile hier und versuche, mir darüber klarzuwerden, ob ich etwas sagen soll. Aber ich darf mich da einfach nicht hineinziehen lassen.«
»Wohnen Sie im Hotel?«
»Ja. Ich bin aus Berlin. Ich komme häufig nach Genf. Mein Gewissen drängt mich, die Polizei aufzusuchen und denen zu sagen, was ich weiß. Aber mein Anwalt sagt, man könnte das falsch auslegen. Ich bin geschäftlich hier; das könnte nachteilig sein. Trotzdem sollten die es wissen.«
»Was für Informationen haben Sie?«
Erich sah den Journalisten mit traurigem Blick an. »Nun, ich habe den Ermordeten sehr gut gekannt. «
»Und?«
»Nicht hier. Mein Anwalt sagt, ich solle mich heraushalten. «
»Wollen Sie damit sagen, daß Sie in den Mord verwickelt waren?«
»Du lieber Gott, nein. Nicht so. Keineswegs. Es ist nur, daß ich... Informationen besitze. Vielleicht auch ein oder zwei Namen. Es gibt... Gründe.«
»Wenn Sie nicht beteiligt sind, werde ich Sie als Informationsquelle schützen, das kann ich als Journalist.«
»Das ist alles, worum ich Sie bitte. Warten Sie hier zwei oder drei Minuten auf mich, ich hole mir nur oben meinen Mantel. Dann komme ich wieder herunter und gehe nach draußen. Folgen Sie mir den Hügel hinunter. Dort suchen wir uns eine abgeschiedene Stelle, wo wir sprechen können. Kommen Sie erst dann auf mich zu, wenn ich Sie rufe.«
Der Journalist nickte.
Kessler ging auf die Aufzüge zu. Er würde sich seinen Mantel holen und zwei Pistolen, beides Waffen, deren Herkunft man nicht nachprüfen konnte. Die kleine Verzögerung würde Holcrofts Unruhe verstärken, und das war gut so.
Noel wartete in der Türnische auf der anderen Straßenseite vom Hotel d’Accord. Kessler hätte die Nachricht vor fünf Minuten erhalten sollen. Was ihn wohl aufhalten mochte?
Da war er! Die korpulente Gestalt, die jetzt langsam die wenigen Treppen vom Eingang des d’Accord herunterging, konnte niemand anders sein. Die Leibesfülle, der gemessene Schritt, der schwere Mantel. Das war es; Kessler war erst noch in sein Zimmer gegangen, um seinen Mantel zu holen.
Holcroft sah zu, wie Erich behäbig den Hügel hinunterschritt, wobei er den Vorübergehenden freundlich zunickte. Kessler war ein sympathischer Mann, dachte Noel, und würde wahrscheinlich nicht begreifen, weshalb er als Köder benutzt wurde; so zu denken, war seinem Wesen fremd. Ebenso wie es Holcroft bisher fremd gewesen war, einen Menschen so zu benutzen; aber nichts ist, wie es war. Jetzt war es für ihn ganz natürlich.
Und es war erfolgreich. Verdammt, es funktionierte! Ein Mann, Mitte der Dreißig vielleicht, hatte inzwischen die unterste Stufe des d’Accord erreicht und blickte
Weitere Kostenlose Bücher