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Der Hort der Waechter

Der Hort der Waechter

Titel: Der Hort der Waechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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lebendig scheinendes Licht, schufen Bewegung, wo keine war - und ließen die Gesichter der Träumer aussehen, als kröche etwas unter ihrer Haut einher.
    Wie die Schläfer in jenem Raum, aus dem Salvat das Mädchen geholt hatte, lagen auch die Para-Träumer auf steinernen Liegestätten. Doch im Gegensatz zu den anderen ruhten sie nicht still und friedlich; die Träumer wanden sich unruhig und stöhnend und schreiend auf dem Fels. Ihre Kleider waren längst zerrissen; blutige Striemen und verkrustete Schürfwunden zeugten von wochenlangem Hin-und Herwälzen auf dem rauhen Grund. Die Zahl der Träumer war im Zwielicht kaum zu überschauen, aber das Echo ihres aus Qual geborenen Klagens ließ diese Zahl weit größer scheinen, als sie tatsächlich sein mochte.
    Salvat führte Morphea tiefer in den Raum hinein. Dabei beobachtete er das Mädchen sehr aufmerksam. Er sah, daß sie sich duckte, als ginge sie unter einer unsichtbaren, aber tiefhängenden Decke, der sie immer wieder mehr als nur ängstliche Blicke zusandte. Als sähe sie etwas, das den Augen anderer verwehrt blieb.
    Aber Salvat konnte zumindest spüren, was Morphea sah. Und es schien ihm intensiver denn je zuvor. Als wäre ein Teil der Visionen der Para-Träumer schon fast greifbare Wirklichkeit geworden.
    Die Zeit drängte. Mehr noch, als er es befürchtet hatte .
    Etwa in der Mitte des Raumes blieb Salvat stehen. Seine Finger legten sich unter Morpheas zartes Kinn und hoben ihr Gesicht eine Winzigkeit an, so daß ihre Blicke einander begegneten. Und er wußte, daß er den Ausdruck ihrer gläsern wirkenden Augen nie vergessen würde. Vielleicht war diese Bürde ein Teil des Preises, den er zu zahlen hatte - für ein ewigkeitslanges Leben und für jene, deren Leben er im Laufe des eigenen opfern mußte .
    Salvat fragte das Mädchen nicht, ob es bereit sei. Er wollte sie weder zur Lüge zwingen, noch wollte er die Wahrheit hören. So sagte er nur: »Tu es!«
    Morphea nickte nicht einmal. Am ganzen Leib bebend wie in ärgster Kälte, richtete sie den Blick weiter nach oben, hob die Hände und vollführte eine Bewegung, als teilte sie etwas.
    Diesen Anschein erweckte ihre Geste zumindest für Salvat. Doch die Worte beschrieben nur in sehr vereinfachter Weise, was das Mädchen wirklich tat. Und vielleicht hätte es der teilenden Bewegung nicht einmal bedurft, vielleicht war sie einzig dazu gedacht, Salvat zu veranschaulichen, was Morphea bewirkte.
    Sie schuf - ein Tor. Einen Riß in der Wirklichkeit, der hinüberführte in andere, in geträumte Wirklichkeiten.
    Ein Schlund tat sich auf wie das Maul eines Ungeheuers, das Angst und Schrecken atmete.
    Sinneszermürbende Emotionen, wie kein Mensch sie sich ausmalen konnte, brachen daraus hervor, ergossen sich über das Mädchen und den Großmeister der Illuminati.
    Dann, als wenigstens Salvat längst um die Unversehrtheit seines Geistes fürchtete, kehrte sich die Wirkung um. Ein mörderischer Sog entstand, der alles wieder in sich hineinschlürfte und wie mit unsichtbaren Händen an ihnen zerrte.
    Morphea gab ihm nach, erfüllt einzig von dem Wunsch, es möge endlich vorüber sein. Sie tauchte ein in den Schlund .
    ... während Salvat zögerte; nur einen winzigen Moment lang, der aber doch um Haaresbreite genügt hätte. Alles wäre umsonst gewesen, das Opfer vergebens, wenn er nicht im allerletzten Augenblick noch die Hand ausgestreckt und Morphea berührt hätte!
    So aber nahm sie ihn mit auf die Reise.
    Ins Reich der Träume.
    In eine Welt, in der Chaos herrschte und regierte.
    Und in der Tod erstrebenswerter war denn Leben .
    *
    »Ich spüre den Tod«, sagte der alte Mann.
    »Fürchte dich nicht«, erwiderte der Junge.
    Der Blick des alten Mannes kehrte zurück aus der Leere. Giuseppe Mazzano mochte etwas darin gesehen haben, was jedem anderen verwehrt bleiben mußte. Denn es gab niemanden, der die Erinnerungen, denen er sich hingegeben hatte, mit ihm teilte. Niemanden mehr, seit Livia tot war. Gestorben an Altersschwäche - in der Blüte ihres Lebens .
    Giuseppe fand nichts Seltsames daran. Er dachte nicht einmal wirklich über die Umstände von Livias Tod nach. Seine Gedanken verliefen nur noch auf vorgeschriebenen Bahnen, und alles schien ihm normal; manches Mal zwar unwirklich, aber normal.
    Auch die Tatsache, daß wenige Wochen genügt hatten, seinen kräftigen Leib zu dem eines Greises zu machen, wunderte ihn nicht. Er nahm es hin, und damit ließ er es gut sein. Er wußte, daß der Tod seiner harrte, und

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