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Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman

Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman

Titel: Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Maaser
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und die Katzen mit den Ratten um Fressbares wetteiferten. Der sternenklare Himmel würde ihm den Weg weisen. Eine angenehme Leichtigkeit, die er nicht mehr gespürt hatte, seit er zum Priester geweiht worden war, erfasste ihn. Die Bücher drückten durch den Stoffbeutel gegen seinen Rücken, doch gemahnten sie ihn ständig an die Worte der altehrwürdigen Kirchenväter, die Askese und Abwendung von allem Luxus gepredigt hatten. Der Weg war steinig. Giordano konnte zwischen Eselsdung und Ziegen den Duft wilden Majorans ausmachen. Einzig der kleine Guiseppe würde ihm fehlen. Der Einzige, der seinen Gedanken hatte folgen können, der lange Nächte mit ihm diskutiert hatte. Über die Unendlichkeit, das Universum und Gott. Darum drehte sich doch alles.
    Giordano spürte die Unebenheit der Straße. Er war nie länger vor den Klostermauern gewesen, außer um ab und an einer Vorlesung in den Akademien des Telesio oder des della Porta zu lauschen. Das Leben draußen hatte ihn nicht sonderlich interessiert. Eine gute Wegstunde südlich von Neapel kamen ihm aus der Dunkelheit die ersten Menschen entgegen. Bauern auf dem Weg zu den Märkten der Stadt. Ochsengespanne. Schwer bepackte Esel brachten Oliven, Datteln und Öl. Allerlei Federvieh in Holzkäfigen, luftgetrockneter Speck und Wassermelonen, um die Einwohner Neapels zu versorgen. Kleine Kinder schliefen auf den Ochsenkarren, während die schon etwas älteren die Tiere mit Stockhieben antrieben. Die meisten von ihnen liefen barfuß und trugen wadenlange, an vielen Stellen geflickte Hosen, die nur durch ein Stück Seil am Bund festgehalten wurden. In der Dunkelheit konnte Giordano die endlosen Reihen der Olivenbäume, die hin und wieder von kleineren Weingärten unterbrochen waren, nicht sehen. Die Bauern hatten ihre Grundstücke mit niedrigen Steinmauern eingesäumt, wohl auch um der Erde Schutz vor den einmal von der Bergseite, einmal von der Meeresseite kommenden Winden zu bieten.
    Giordano versuchte, sich mit einigen Denkübungen die Zeit zu vertreiben. Die letzten Monate hatte er sich intensiv mit den Schriften des katalanischen Philosophen Raimundus Lullus beschäftigt und dabei viel über Logik und Gedächtniskunst, aber auch über Alchemie und Metaphysik gehört, Disziplinen, die ihn magisch anzogen, wohl wissend, dass sie im Kloster nicht wohlgelitten waren. Einige seiner Mitbrüder kamen öfter heimlich zu ihm, und er erzählte ihnen von wundersamen Dingen, über die er in Büchern gelesen hatte, die sie selbst nicht einmal aufzuschlagen wagten. Lullus hatte eine Maschine erfunden, mit der man Wörter kombinieren konnte, um daraus logische Schlüsse ziehen zu können. Die Wörter waren auf Scheiben geschrieben, die durch Drehen der Scheiben neue Kombinationen und logische Zusammenhänge ergaben.
    Mühelos gelang es ihm, ein Buch, das er schon vor einiger Zeit gelesen hatte, zu memorieren. Natürlich hatten Aristarch von Samos und der große Kopernikus recht. Nicht das Weltall drehte sich um die Erde, war gleichsam wie eine Zwiebel von Schalen aus Feuer, Licht, Wasser und Äther, in dem sich die Leiber der Verstorbenen aufhielten, umgeben, sondern alle Planeten, also auch die Erde, drehten sich in Bahnen um die Sonne. Er, Giordano Bruno, würde Ptolemäus und Aristoteles für ihren Irrtum von ihren Sockeln stoßen. Er war überzeugt, dass man ihm anderswo, fernab von der Stadt Rom, der Hüterin der Irrlehren, zuhören und ihn verstehen würde. Giordano beobachtete die Sterne. Innerhalb kürzester Zeit konnte er die Wanderbewegung naher Planeten erkennen, sah Sternschnuppen. Wie konnte man nur so verbohrt sein und das so Offensichtliche nicht begreifen? Wie viel wunderbarer war der Gedanke, dass Gott der Allmächtige etwas viel Größeres, Unbegreifliches, für unser Auge nicht Sichtbares erschaffen hatte? Alles andere kam für Giordano nicht mehr in Betracht. Mehr noch. Es war doch auch denkbar, dass wir nicht allein in diesem unendlichen Weltall lebten. Wozu hätte sich Gott die Mühe machen sollen, das All, den Kosmos zu schaffen, wenn es dann nur auf einem, noch dazu verhältnismäßig kleinen Planeten Leben gab? Nein, nein. Giordano war überzeugt, dass es da draußen noch mehr gab. Mehr geben musste. Er schmunzelte. Was, wenn gerade jetzt in dieser Sekunde auf einem fernen Planeten ebenfalls ein Wanderer sich dieselben Gedanken machte, und beide konnten einander nur erahnen, aber niemals sehen?
    Übers Meer kamen nun leichte Böen. Bald schon würden die

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