Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
musste er nach so einem Gespräch zur Beichte, um sich von der Sünde der Lüge zu reinigen. Der Prior und sein Stellvertreter hatten ihn in langen nächtlichen Gesprächen davon überzeugt, dass der von ihm Bewunderte irrte und dass eine Gefahr für die Gläubigen von ihm ausging. Ab diesem Zeitpunkt war er bereit gewesen, alles zum Schutze ihrer ehrwürdigen Gemeinschaft zu tun, und doch nagte etwas in seiner Brust, das er sich nicht erklären konnte und das er auch durch noch so häufiges Beten und Selbstkasteiung nicht loswurde.
Auch Guiseppe hatte unter seiner Bettstatt seinen Wanderranzen bereit, gefüllt mit Lebensmitteln, einer Kniebundhose und einem weiten Leinenhemd, die er anstelle der weißen Leinenkutte der Dominikanermönche überziehen würde, sobald es sein Auftrag verlangte. Der Prior hatte ihm auch einen Beutel mit Gulden gegeben, damit, sollte seine Reise von längerer Dauer sein, für das Nötigste gesorgt sei. Er war von zierlicher Gestalt, wog kaum so viel wie ein kleines Schaf, wie seine Mitbrüder immer wieder lästernd feststellten, wenn sie beim gemeinsamen Bade waren. Dennoch folgte er Giordano barfuß, damit das Knarren der Holzdielen ihn nicht verriet. Egal, wo die Reise hinging, Guiseppe würde von nun an in seiner Nähe sein, und er wollte dafür sorgen, dass er so bald als möglich reumütig in den Schoss des Klosters zurückkehrte.
Kapitel 5
Giordanos Mutter schlug die Hände vors Gesicht. „Mein Junge, mein Junge!“ Weinend, lachend küsste und herzte sie ihren Sohn. „Mein Junge, mein Junge“, stammelte sie, mehr konnte sie nicht sagen. Giordano lächelte matt. Er freute sich sehr, sie zu sehen, sie, zu der er immer ein herzliches Verhältnis gehabt hatte. Die kleine, gedrungene Frau tastete nun mit ihren von der harten Feldarbeit rauh und schwielig gewordenen Fingern das knochige Gesicht ihres Sohnes ab, als müsse sie erst mit den Händen fühlen, begreifen, dass ihr Giordano leibhaftig vor ihr stand. Über sechs Jahre war es nun her, dass sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte. Es schien ihm, als trüge sie immer noch dasselbe dunkelbraune, an manchen Stellen bereits brüchig gewordene Kleid mit der speckig glänzenden, weißen Schürze darüber. Ihr Haarreif, da war er sich sicher, war jedenfalls der aus Schildpatt, den ihr sein Vater von einem seiner Feldzüge mitgebracht hatte. Giordano war unrasiert, und seine Bartstoppeln stachen seine Mutter in die Handflächen. Er versuchte seinerseits, so gut es ging, ihre Freudentränen zu trocknen. Erst jetzt hatte er Gelegenheit, sich in der kleinen Kammer, die Wohn- und Essbereich zugleich war und in der früher auch seine Bettstatt gestanden hatte, umzusehen. Das Haus selbst war ebenfalls unverändert. Der einstöckige Ziegelbau umschloss wie eine kleine Festung einen gepflasterten Innenhof. Im hinteren Teil des Hauses, der direkt an die Weingärten grenzte, befanden sich die Weinpresse und der Zugang zu einem in den felsigen Boden gehauenen Weinkeller, in dem ein gutes Dutzend Fässer lagerte. Es war Giordano immer verboten gewesen, alleine in das feuchte Gewölbe zu gehen.
Seine Mutter hatte gerade bei Kerzenschein einen beschädigten Korb geflickt. Es hatte sich kaum etwas verändert, seit er von hier fortgegangen war. Die beiden gefleckten Katzen, die ihm als Junge zugelaufen waren, waren immer noch da und strichen nun um seine Beine. Die Schwänze steil nach oben gereckt, wollten sie gestreichelt werden. Auch sein Bett stand noch dort, wo er es einst verlassen hatte. Nur das Kruzifix darüber, das er irgendwann einmal abgehängt und auf den Schrank mit den Lebensmitteln gelegt hatte, war wieder an seinem alten Platz. Es roch nach Schmalz und Äpfeln. Durch die offenen Fenster wehte ein leichter Nachtwind.
Die letzten Kilometer Richtung Nola waren Giordano wie eine Ewigkeit vorgekommen. Er hatte unterwegs kaum haltgemacht. Ab und zu ein Schluck Wasser aus einer Zisterne in den kleinen Ortschaften, durch die er gekommen war, eine kurze Rast im Schatten eines Feigenbaums, dann war er wieder zurückgekehrt in seine Gedankenwelt, die ihn den langen, beschwerlichen Weg für geraume Zeit vergessen ließ. Nun spürte er aber seine wundgelaufenen Füße. Das alte Holzbett ächzte wie früher, als er sich darauf niederließ.
„Hast du Hunger, Durst? Was kann ich dir bringen?“ Seine Mutter hatte endlich ihre Fassung wiedergefunden. In der Ferne heulten ein paar streunende Hunde den prachtvoll leuchtenden Mond an. Zu gern hätte
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