Der Hueter und das Kind
eindringen ließ. Doch dieser illusionäre Schmerz war nichts im Vergleich zu dem, den Landru nunmehr in ihr entfachte.
Seine Männlichkeit schien sie regelrecht auszufüllen. Und doch waren Caitlins Schreie nicht klagend, sondern nur erfüllt von wildem Verlangen. Sie glaubte, unter seinen Stößen vergehen zu müssen - und flehte ihn doch an, nicht aufzuhören, nicht einmal innezuhalten.
Längst rauschte das Blut Sturzbächen gleich durch ihre Adern, machte sie taub für alles, was nicht Leidenschaft und animalische Lust war. Brodelnde Röte verschleierte ihren Blick. Und so sah sie nicht, weshalb ihr Schmerz plötzlich eine neue Qualität erlangte, auf seltsame Weise süßer wurde.
Erst als Schwärze die roten Nebel durchwob, wurde ihr die Veränderung bewußt, kehrten die Ängste und alle Merkwürdigkeiten der vergangenen Wochen in ihr Denken und Fühlen zurück. Doch sie hielten sich nicht lange. Der Tod eilte mit Riesenschritten näher ...
Landru ließ von Caitlin ab, noch ehe alles Blut aus den Bißwunden gesprudelt war.
»Wo?« fragte er nur.
Sie wußte, was er meinte. Mit einer schwacher Geste wies sie zur Spiegelkommode.
Landru erhob sich nackt und ging hinüber. Er öffnete die oberste Schublade, wühlte die seidige Wäsche beiseite. Er konnte die Nähe des Lilienkelches spüren - trotzdem er nicht mehr jener war, der ihn auf seiner tausendjährigen Reise begleitet hatte.
Vorsichtig schloß seine sehnige Hand sich um das Gefäß und hob es heraus. Die Bewegung war zögernd, als erwartete er neues Ungemach, das von der bloßen Berührung des entarteten Unheiligtums herrühren konnte.
Doch nichts geschah. Kalt und schwer lag der Kelch in seiner Faust, aus dunklem Material gefertigt, dessen Beschaffenheit an Metall erinnerte und doch etwas ganz anderes sein mußte. Die wahre Herkunft des Kelches hatte Landru nie ergründet. Aber vielleicht würde es nötig sein, dies nachzuholen .
Ein freudloses Lächeln auf den Lippen, schloß der Vampir die Schublade. Ein banales, fast lächerliches Versteck war das für ein Artefakt, in dem unfaßbare Mächte schlummerten. Und doch hätte es perfekter nicht sein können. Wenn jemand nach dem Unheiligtum gesucht hätte - und Landru pflegte selbst das Unwahrscheinliche in Betracht zu ziehen -, dann hätte er es niemals hier getan.
Nicht einmal auf Caitlin Appleton wäre dieser potentielle Jemand gestoßen, da es keinerlei Verbindung zwischen Landru und ihr gab.
Sie hatte schlicht das Pech gehabt, seinen Weg zu kreuzen in dem Moment, da er nach einem sicheren Aufbewahrungsort gesucht hatte, kurz bevor er von Washington aus nach Alaska aufgebrochen war. Er hatte ihren Geist mit seiner Macht gefügig gemacht und dauerhaft seinem Willen unterworfen und den Kelch in ihre Obhut gegeben. Die simpelsten Mittel und Wege hatten sich für Landru in mehr als einem Jahrtausend oft als die effektivsten erwiesen .
Bei seiner Abreise damals hatte Landru noch gehofft, der Kelch könnte überflüssig werden, wenn er sein Ziel erreichte und den Gen-Vampir für seine Zwecke einspannen konnte. Nach dem Fehlschlag jedoch mußte er nun alle Hoffnung auf den Lilienkelch setzen.
Zunächst aber mußte der Hüter in Erfahrung bringen, mit welchem Keim das Unheiligtum infiziert worden war - und vor allem, wie er ihn daraus entfernen konnte .
Landru kleidete sich an, während Caitlin noch stöhnend und sterbend auf dem Bett lag. Bevor er aufbrach, ersparte der Vampir seinem Opfer die Ewigkeit, indem er Caitlin das Gesicht auf den Rücken drehte. Andernfalls wäre das Mädchen nach seinem Tod als Dienerkreatur erwacht und hätte, vom Durst nach Blut getrieben, Jagd auf Menschen gemacht.
Doch ohne die Führung desjenigen, der sie zur Kreatur gemacht hatte, wäre ihre seltsame Existenz nicht lange ein Geheimnis geblieben. Und daraus resultierendes Aufsehen wollte Landru zur Zeit vermeiden. Erst mußten die grundsätzlichen Dinge wieder in geordneten Bahnen verlauten, dann konnte auch alles andere wieder seinen seit Anbeginn gewohnten Gang gehen.
Ehe Landru den Kelch in jenem Beutel versenkte, in dem er auch die uralte Erde, die seinen Schlaf erholsam machte, mit sich führte, sah er noch einmal hinein in jene Schwärze, die von der nachgebil-deten Lilienblüte umfaßt wurde. Wie etwas Greifbares nistete sie darin, undurchsichtig und ein düsteres Geheimnis bergend, das sich Blicken nicht erschloß.
Doch Landru war entschlossen, dem Kelch das Geheimnis zu entreißen - oder vielmehr
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