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Der Hund des Todes

Der Hund des Todes

Titel: Der Hund des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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schien sie zu beobachten. Sie fühlte sich unbehaglich unter seiner Beobachtung. Sie machte leise schnippende Bewegungen mit den Fingern. Sie war nervös, hochgradig nervös. Konnte es sein – war es möglich, dass sie Angst hatte? Warum sollte sie Angst haben?
    Mit einem Ruck zwang Dermot seine Aufmerksamkeit wieder der Unterhaltung zu. Mrs Eversleigh hatte den großen Mann dazu gebracht, über sein eigenes Problem zu sprechen.
    »Meine liebe Dame«, sagte er gerade, »was ist denn Wahnsinn? Ich kann Ihnen versichern, je mehr wir diese Krankheit erforschen, um so schwerer fällt es uns, sie beim Namen zu nennen. Bis zu einem gewissen Grade betrügen wir uns alle selbst. Wenn wir es so weit bringen, uns einzubilden, wir seien der Zar von Russland, werden wir eingesperrt oder unter Bewachung gesetzt. Doch ist es ein weiter Weg bis zu diesem Punkt. An welchem klar bestimmbaren Punkt dieser Wegstrecke können wir einen Meilenstein aufstellen, auf dem steht, bis hierher ist Gesundheit, ab hier Wahnsinn? Wir können es nicht, Sie wissen es. Und noch etwas: Wenn ein Mann unter einer Einbildung leidet, aber imstande ist, das vor der Umwelt zu verheimlichen, dann werden wir aller Wahrscheinlichkeit nach diesen Mann von einem normalen nicht unterscheiden können. Die ungewöhnliche Schlauheit der Geisteskranken ist dabei ein überaus interessantes Problem.«
    Sir Alington nippte genießerisch an seinem Wein und wandte sich wieder seiner Tischdame zu.
    »Ich habe schon gehört, dass sie sehr schlau sind, ich meine diese Irren«, sagte Mrs Eversleigh.
    »O ja, und zwar auf bemerkenswerte Weise. Die Unterdrückung einer bestimmten Wahnvorstellung kann oft eine verhängnisvolle Wirkung haben. Alle Arten von Unterdrückung sind gefährlich, wie uns die Psychoanalyse lehrt. Der Mann, der ein harmloses exzentrisches Hobby hat, überschreitet selten seine Grenzen. Aber der Mann« – er hielt inne – »oder die Frau, die dem Anschein nach völlig normal sind, können in Wirklichkeit für die Allgemeinheit eine ständige Gefahrenquelle bedeuten.«
    Sein Blick wanderte langsam zu Claire und wieder zurück. Er nippte noch einmal an seinem Glas Wein.
    Eine entsetzliche Angst ergriff Dermot. War es das, was er meinte? Unmöglich! Und doch…
    »Alles, was man selbst unterdrückt«, jammerte Mrs Eversleigh. »Ich sehe ein, dass man sehr vorsichtig sein muss, wenn man jemandem seine eigene Persönlichkeit erklärt. Die Gefahr für andere wird gleich überbewertet.«
    »Meine liebe Mrs Eversleigh«, mahnte der Arzt nachsichtig, »Sie haben mich vollkommen missverstanden. Die Ursache zu dem Unheil liegt in der physischen Beschaffenheit des Gehirns. Manchmal wird ihm von außen Schaden zugefügt, zum Beispiel durch einen Schlag, manchmal ist das Unheil – leider – auch vererbbar.«
    »Vererbung ist eine traurige Sache«, flüsterte die hübsche Dame leise, »bei Schwindsucht und all dem.«
    »Tuberkulose ist nicht vererbbar«, sagte Sir Alington trocken.
    »Ach, was Sie nicht sagen. Ich dachte immer, gerade diese sei vererbbar. Wahnsinn ist doch auch vererbbar – wie schrecklich! Was sonst noch?«
    »Gicht«, sagte Sir Alington lächelnd, »und Farbenblindheit. Letztere ist übrigens interessant. Sie wird nur auf männliche Nachkommen übertragen, auf weibliche latent. Es gibt viele farbenblinde Männer; um aber einer Frau Farbenblindheit zu übertragen, bedarf es eines farbenblinden Vaters und einer Mutter, in der diese Krankheit latent schlummert, eine Voraussetzung, die ziemlich selten eintritt. Das nennen wir geschlechtsbedingte Vererbung.«
    »Und Wahnsinn vererbt sich nicht, oder doch?«
    »Wahnsinn kann auf Frauen wie auf Männer gleichermaßen vererbt werden«, sagte der Arzt ernst.
    Claire sprang plötzlich auf und stieß dabei ihren Stuhl so heftig zurück, dass er umkippte und polternd zu Boden fiel. Sie war blass, das nervöse Schnippen ihrer Finger wurde sehr auffällig.
    »Sie – Sie werden mich doch nicht allzu lange warten lassen«, bat sie. »Mrs Thompson wird in ein paar Minuten hier sein.«
    »Noch dieses Glas Portwein, dann komme ich zu Ihnen«, erklärte Sir Alington. »Ich kam ja schließlich hierher, um die Vorstellung dieser großartigen Mrs Thompson zu erleben, nicht wahr? Nicht etwa, weil ich einen Anlass brauchte!« Er verbeugte sich.
    Claire lächelte ihm schwach und verstehend zu, dann ging sie aus dem Zimmer, ihre Hand auf Mrs Eversleighs Schulter.
    »Ich fürchte, ich habe ein wenig zu viel

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