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Der Hund kommt - Roman

Der Hund kommt - Roman

Titel: Der Hund kommt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Noestlinger
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betrat. Sie hörten seine Schritte über den Flur quietschen, hörten ihn die Tür zur Direktion aufmachen und rufen: »Wo ist denn der Direktor?«
    »Ich komme ja schon! Wo brennt’s denn?«, hörten sie die Stimme vom Bären, und dann kamen seine Tap-tap-Schritte aus der Nachbarklasse.
    Der Bär lief in die Direktion.
    Die Kinder und der Hund hielten den Atem an.
    Leise schlichen sie zur Tafelwand.
    Dahinter war die Direktion. Und die Tafelwand war bloß eine dünne Gipsmauer. Als ob sie einem Radiohörspiel lauschten, hörten sie, was nebenan gesprochen wurde.
    »Sie wünschen, bitte?«, fragte der Bär.
    »Ich komme von der Schulbehörde«, sagte der Mann.
    »Freut mich sehr«, sagte der Bär.
    »Wir haben da«, sagte der Mann, »einen Brief des hiesigen Elternvereins erhalten. Er will, dass der neue Lehrer hierorts fest angestellt wird, statt des erkrankten Kollegen!«
    »Ja doch«, sagte der Bär. »Da steh ich voll dahinter. Die Kinder haben ihn sehr lieb. Der Kollege ist nämlich einsame Spitze!«
    »Wir haben Ihnen aber gar keinen neuen Lehrer geschickt«, sagte der Mann.
    Der Bär lachte dröhnend los. »Sie sind mir vielleicht ein Klugscheißer«, rief er. »Seit zwei Wochen ist der neue Lehrer bei uns. Glauben Sie vielleicht, dass im Nebenzimmer eine Fata Morgana steht?«
    »Falls dort irgendwer steht«, rief der Mann, »dann ist das ein Schwindler! Laut Brief des Elternvereins ist der neue Lehrer überdies ein Hund. Wir haben jedoch im ganzen Schulbezirk keinen einzigen Hund als Lehrer angestellt!«
    »Da legst dich nieder!«, staunte der Bär.
    »Sie haben«, rief der Mann, »die Schüler einem Scharlatan anvertraut! Das Hundssubjekt wird eingelocht! Die Polizei ist schon verständigt! Und für Sie wird das auch Folgen haben!«
    »Kinder, ich muss weg«, flüsterte der Hund den Kindern zu, als er dies erlauscht hatte.
    »Aber nicht zum Tor raus«, flüsterte die Carmen-Anna. »Denn vielleicht steht dort schon die Polizei!«
    »Ich geh durchs Fenster«, flüsterte der Hund.
    »Nur ja nicht!« Der Ignaz-Peter hielt den Hund am Schwanz zurück. »Da sieht man dich vom Direktionsfenster aus!«
    »Wir müssen dich verstecken«, sagte die Lolita-Eva.
    In der Klasse war bloß der Schrank, der als Versteck groß genug für den Hund war. Im Schrank, in den Fächern, lagen Malfarben und Hefte, Tafelkreide und Landkarten, Kleisterdosen und Buntpapier und Radiergummis und Buntstifte.
    Der Hund wollte nicht in den Schrank. Er fand es unwürdig, sich vor dem Halbesel zu verstecken. Weil er aber vor lauter Angst hinteres Knieschlottern hatte, schafften es die Kinder trotzdem, ihn zum Schrank zu ziehen.
    Ein Kind machte die Schranktür auf, zwei Kinder hoben das unterste Fachbrett hoch, drei Kinder schubsten den Hund in den Schrank, vier Kinder drückten die Schranktür zu, der Peter-Ignaz sperrte den Schrank ab und steckte den Schlüssel in die Hosentasche und rief: »Jetzt alles auf die Plätze!«
    Kaum saßen alle Kinder hinter den Pulten, kam der Behördenmann mit dem Bären in die Klasse.
    »Wo ist der Hund?«, fragte der Behördenmann. Die Carmen-Anna stand auf. Sie machte ein Unschuldsengelsgesicht.
    Sie sagte: »Bitte, der Herr Lehrer ist wie der geölte Blitz zur Tür raus!«
    »Aufs Klo, glaub ich!« Der Ignaz-Peter zeigte Richtung Klo. »Wahrscheinlich hat er Bauchweh!«
    Der Behördenmann sauste aus der Klasse, dem Klo zu. Als er innen sah, dass das Klofenster offen stand, schwang er sich durch das offene Fenster und brüllte: »Mir nach! Weit kann er noch nicht gekommen sein!«
    Hinter der Schule war eine große Wiese und hinter der Wiese begann ein Wald. Am Ende der Wiese, dort wo der Wald anfing, stand jemand.
    »Herr Direktor, so kommen Sie doch schon!«, brüllte der Behördenmann.
    Der Bär marschierte ins Klo. Die Kinder drängten hinter ihm her. Der Bär schaute zum Klofenster hinaus. »Stehe zu Diensten«, sagte er freundlich zum Behördenmann.
    »Stehen Sie nicht, rennen Sie lieber«, brüllte der Behördenmann. Er zeigte zum Waldrand hin. »Ist der dort der Hund?«
    Der Bär kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Die Gestalt am Waldesrand hatte einen blitzblauen Hut auf dem Kopf. So einen blitzblauen Hut, das wusste jeder im Dorf, trug nur der alte Widder, der vom Pilzesuchen lebte.
    »Der Regen verschleiert mir zwar die gute Sicht«, sagte der Bär, »aber ich denke, das könnte sehr wohl der Hund sein!«
    »Was zaudern Sie dann noch?«, brüllte der Behördenmann. Er spannte

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