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Der Hund kommt - Roman

Der Hund kommt - Roman

Titel: Der Hund kommt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Noestlinger
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Hund.
    »Wir treffen ein Gespenst«, rief ein Kind.
    »Ja, ja«, riefen alle Kinder. »Ein Gespenst ist supertoll!«
    »Gut«, sagte der Hund. »Treffen wir ein Gespenst. Zufällig wohnt eines im Schulkeller!«
    Der Hund führte die Kinder aus der Klasse. Auf Zehenspitzen schlichen sie in den Keller hinunter. Als alle Kinder im Keller unten waren, drehte der Hund das Licht aus, weil ein Gespenst nur im Stockdunklen mit sich reden lässt.
    »Wertes Gespenst, entschuldigen Sie die Störung Ihrer Tagesruhe«, brummte der Hund ins Stockdunkle hinein.
    Dann winselte er leise.
    Dann brummte er: »Meine Schüler möchten Sie kennen lernen!«
    Dann winselte er wieder.
    Dann brummte er: »Also, wenn Sie bloß winseln, verstehen wir Sie nicht!«
    »Pardon«, sagte der Hund mit hoher Winselstimme, »vor lauter Einsamkeit bin ich ans Reden nicht mehr gewohnt!«
    Der Hund brummte: »Warum bleiben Sie im Keller, kommen Sie zu uns rauf, da haben Sie Gesellschaft!«
    Der Hund winselte: »Ein Gespenst darf nicht ans Licht!«
    Der Hund brummte: »Was für ein Gespenst sind Sie eigentlich?«
    Der Hund winselte: »Das hab ich leider vergessen!«
    Der Hund brummte: »Könnten wir Sie vielleicht erlösen?«
    Der Hund winselte: »Ja doch, das wär fein!«
    Der Hund brummte: »Was müssen wir da tun?«
    Der Hund winselte: »Das habe ich leider auch vergessen!«
    Die Kinder lauschten mit angehaltenem Atem, aber dem Hund wurde sein Zwiegespräch schon langsam langweilig. So brummte er: »Na schön! Wenn Sie alles vergessen haben, dann können wir Ihnen eben nicht helfen, dann gehen wir wieder hinauf! Guten Tag!«
    Die Kinder protestierten.
    Das Gespenst tat ihnen Leid. Sie wollten es unbedingt erlösen.
    Wie, fragte sich der Hund, erlöst man ein Gespenst, das es gar nicht gibt. Während er das überlegte, summte ihm eine fette Schmeißfliege, die sich in den Keller verirrt hatte, um die Schlappohren. Der Hund, ein versierter Fliegenfänger, grapschte sich die lästige Fliege vom Ohr. Als er die Fliege in der Faust hielt, bekam er einen Einfall.
    »Gespenst«, brummte er. »Erlösen können wir dich nicht, weil du Dolm keine Ahnung mehr hast, welcher Fluch auf dir lastet. Aber wir werden dich verwandeln. In eine fette Fliege. Dergestalt musst du das Tageslicht nicht mehr scheuen und kannst auf ewig in der weiten Welt herumfliegen. Willst du das?«
    »Das wäre supertoll«, winselte der Hund.
    »Dann wollen wir den Verwandlungsspruch aufsagen«, brummte der Hund und sprach den Kindern vor:
    »Arme Gespenster besiegen
    als fette Fliegen
    Finsterqual und Kellernot,
    sumsen heiter ins Abendrot,
    sind nicht traurig, nicht allein,
    dürfen sich des Lebens freun!«
    Die Kinder sagten dem Hund Zeile für Zeile nach, der Hund stieß einen »erlösten« Winsler aus und knipste das Kellerlicht wieder an.
    »Wo ist die Fliege?«, riefen die Kinder.
    Der Hund zeigte ihnen seine rechte Vorderfaust. Die Kinder legten ein Ohr an die Faust, sie hörten die Fliege sumseln und surren und waren glücklich darüber.
    Der Hund ging mit den Kindern in die Klasse zurück. Er stellte sich zum Lehrertisch und öffnete die Faust. Die fette Fliege flog hoch, drehte drei Runden um die Deckenlampe und sauste zum Fenster hinaus.
    »Supertoll!«, riefen die Kinder.
    Die Großen setzten sich hin und schrieben einen Aufsatz mit dem Titel: Wie wir aus dem Gespenst eine Fliege machten.
    Die Kleinen hockten sich um den Hund herum und erzählten ihm die Geschichte Vom Fliegengespenst.
    Zehn Kinder erzählten dem Hund die Geschichte und alle zehn schworen Stein und Bein, das Gespenst gesehen zu haben. Riesengroß sei es gewesen, sagten sie, und unheimlich dick. Und geschwabbelt habe es wie Zitronenpudding.
    Eigentlich wollte sich der Hund gleich zu Mittag nach der Schule aus dem Staube machen. Doch weil er den Kindern versprochen hatte, die Aufsätze zu lesen und unter jeden Aufsatz einen großen roten Einser zu schreiben, ging der Hund noch schnell in den Gasthof zurück, borgte sich vom Wirt einen roten Kugelschreiber, setzte sich in sein Zimmer und las die Aufsätze und malte die Einser. Fehler verbesserte er nicht, denn er dachte sich: Ich werde doch nicht die schönen Aufsätze mit lauter roten Kraxeln verpatzen!
    Dann schrieb der Hund noch einen Brief an die Kinder. Er schrieb:
    Liebe Schüler,
    so liebe Schüler wie euch
    habe ich noch nie gehabt und
    werde ich auch sicher nie mehr
    bekommen. Leider muss ich euch
    schon heute verlassen ...
    Als der Hund mit dem Brief so

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