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Der Hund kommt - Roman

Der Hund kommt - Roman

Titel: Der Hund kommt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Noestlinger
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verschnauft hatten.
    »Nichts wie weg aus dieser Stadt«, sagte der Bär. »Das Pflaster wird dir zu heiß hier!«
    »Und die Pflegekinder?«, fragte der Hund.
    »Die Sache ist so«, sagte der Bär und kratzte sich den Bauch. »Im Erziehungsbuch steht, dass Kinder am liebsten bei der Person sind, die sie von Geburt auf am besten kennen. Pflegeeltern sind nur eine Notlösung. Und wir wollen doch keine Notlösung.«
    Der Hund seufzte und kratzte sich auch am Bauch.
    Er sagte: »Am besten kennen die Kleinen ihren Vater. Aber der ist im Krankenhaus.
    Der Bär steckte eine Pfote in den Mund und kaute an den Krallen herum. »Mir fällt schon was ein«, murmelte er.
    Stockdunkel war es bereits und der Bär saß noch immer krallenkauend in der guten Stube. Der Hund saß bei ihm und schaute ihm beim Nachdenken zu.
    Gegen Mitternacht kamen die Katzenkinder durchs Fenster und mauzten laut. Sie hatten Hunger.
    Der Hund holte das bisschen Fisch, das noch im Eisschrank war. Die Katzen verputzten den Fisch und mauzten weiter. Sie waren noch lange nicht satt.
    »Nachschub gibt’s erst morgen«, sagte der Hund.
    Da fingen die Katzen zu weinen an.
    Eine heulte: »Unser Papa hat uns immer viel mehr Futter gegeben.«
    Eine heulte: »Unser Papa hat uns nicht bis morgen hungern lassen.«
    Eine heulte: »Unser Papa war überhaupt viel netter.«
    Und die anderen siebenundzwanzig heulten: »Wir wollen zu unserem Papa zurück!«
    Da nahm der Bär die Krallen aus dem Maul und rief: »Ich hab’s!« Er holte eine Schere und einen roten Filzstift und nahm sich eine Katze nach der anderen vor. Mit der Schere schnitt er ihnen Haarbüschel aus dem Fell und mit dem roten Filzstift machte er ihnen Tupfen auf die kahl geschorenen Stellen.
    »Jetzt habt ihr die Masern«, sagte er zu den Katzen, »und kommt zu eurem Papa ins Krankenhaus.«
    Die Katzen schlugen vor lauter Freude Purzelbäume und bissen einander übermütig in die Schwänze. Doch der Hund bekam drei dicke Kummerfalten auf der Stirn. »Wer bringt die Kinder denn ins Krankenhaus?«, fragte er. »Mich erkennen sie dort doch sofort. Und dich auch. Du warst ja täglich zu Besuch bei mir.«
    »Das ist ein Problem«, murmelte der Bär und biss wieder an seinen Krallen herum.
    »Vielleicht das Nachbarschwein«, schlug der Hund vor. »Eine Frau ist da immer gut. Frauen und Kinder, das passt zusammen.«
    »Schweine sind unzuverlässig«, gab der Bär zu bedenken. Dann kicherte er und rief: »Aber die Idee mit der Frau ist gut. Sehr gut. Wir werden uns als Frauen verkleiden! Wir werden dem Krankenhausportier sagen, dass wir Erzieherinnen des städtischen Katzenheims sind!«
    Der Bär zog sich das Steirerkostüm der Witwe Olga an. Der Hund zog sich das Tweedkostüm der Witwe Olga an. Der Bär band sich ein Fransentuch um den Kopf. Der Hund setzte sich einen Strohhut mit Blumen auf. Und jeder von ihnen stopfte sich zwei große, weiche Wollknäuel unter die Jacke. Dann steckten sie sich noch Klunkerohrringe an die Ohren, und um den Hals taten sie sich allerhand Ketten. Bloß die Schuhe der Witwe Olga konnten sie nicht anziehen, die waren ihnen viel zu eng.
    Der Hund besprühte den Bären mit Veilchenduft, der Bär besprühte den Hund mit Maiglöckchenduft. Sie holten den Wäschekorb aus der Abstellkammer und setzten die getupften Katzen hinein. Der Bär nahm den Korb an einem Henkel, der Hund am anderen. Sie verließen das Haus der Witwe Olga und stiegen ins Auto vom Bären. Den Katzenkorb taten sie in den Kofferraum.
    »So, Kinder«, sagte der Bär, als er vor dem Krankenhaus hielt. »Und jetzt wimmert, was das Zeug hält, so herzergreifend, wie’s nur immer geht.«
    Die Katzen ließen sich das nicht zweimal sagen. Zum Gotterbarmen stöhnten und ächzten und winselten sie drauflos. Der Hund und der Bär sprangen aus dem Wagen und trugen den Korb ins Krankenhaus hinein.
    Hinter dem Empfangspult döste der Portier vor sich hin. Erschrocken fuhr er hoch, als der Hund und der Bär den Korb abstellten.
    »Ich bin die Tante Käthe vom Katzenheim«, lispelte der Bär.
    »Ich bin die Tante Wetti von ebendort«, mömerte der Hund.
    »Wir liefern eine Epidemie ab«, lispelte der Bär.
    »Es dürften die Masern sein«, mömerte der Hund.
    »Einen Moment, meine Damen!« Der Portier gähnte und dann drückte er auf einen Klingelknopf am Pult. »Die Schwester kommt gleich«, sagte er gähnend.
    »Wir holen inzwischen den anderen Korb«, lispelte der Bär.
    »Das ist nämlich erst die halbe Epidemie«, mömerte

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