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Der Hund von Baskerville

Der Hund von Baskerville

Titel: Der Hund von Baskerville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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verschwunden war, hinauf zu dem steinigen Hügel. An diesem Tag schien sich alles zu meinen Gunsten zu gestalten. Ich schwor mir, die Chance, die mir das Glück in den Weg geworfen hatte, nicht durch Mangel an Energie und Durchhaltevermögen zu verpassen. Die Sonne sank bereits, als ich die ziemlich steile Anhöhe erreicht hatte. Die Abhänge unter mir, lang und abschüssig, waren goldgrün auf der einen Seite, auf der anderen schattengrau. Ein leichter Nebel war am Horizont aufgestiegen, aus dem die phantastischen Formen des Belliver und des Vixen Tor herausragten. Über der großen Weite war kein Laut zu hören und keine Bewegung wahrzunehmen. Ein großer, grauer Vogel, vielleicht eine Möwe oder ein anderer Wasservogel, schwebte hoch oben am blauen Himmel. Dieser Vogel und ich schienen die einzigen Lebewesen zu sein zwischen dem gewaltigen Himmelsbogen und der Wüste darunter. Die unfruchtbare Landschaft, das Gefühl des Alleinseins und das Rätselhafte und Dringliche meiner Aufgabe ließen mich erschaudern. Der Junge war nirgends zu sehen. Aber drunten, in einem Tal zwischen den Hügeln, befand sich ein Kreis alter Steinhütten, und in der Mitte bemerkte ich eine, deren Dach noch soweit in Ordnung schien, daß man sie als Schutz gegen die Unbill des Wetters benutzen konnte. Mein Herz schlug heftiger, als ich sie sah. Dies mußte das Versteck sein, in dem der Fremde hauste. Sein Geheimnis war in meiner Reichweite.
    Ich ging auf die Hütte zu und bewegte mich so vorsichtig wie Stapleton, wenn er mit hochgehaltenem Netz hinter einem Schmetterling her war. Ich stellte befriedigt fest, daß dieser Ort wirklich als Unterschlupf benutzt wurde. Ein angedeuteter Pfad führte zwischen den Felsblöcken hindurch zu dem verfallenen Eingang. Drinnen war alles ruhig. Der Unbekannte konnte dort lauern, oder er konnte auf dem Moor umherstreifen. Meine Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Ich warf meine Zigarette fort, nahm meinen Revolver in die Hand, ging rasch auf die Hütte zu und schaute hinein. Der Raum war leer. Es waren aber genügend Anzeichen vorhanden, daß ich keiner falschen Spur gefolgt war. Wirklich, hier lebte der Mann. Ein paar Decken, zusammengerollt und in wasserdichtes Ölzeug eingeschlagen, lagen auf derselben Steinplatte, die einst dem neolithischen Vorfahren als Ruhelager gedient hatte. Unter dem Rost einer primitiven Feuerstelle häufte sich die Asche. Daneben standen einige Kochutensilien und ein Eimer, halbvoll mit Wasser. Der Müllberg von leeren Konservendosen zeigte, daß die Hütte schon seit geraumer Zeit bewohnt war. Als meine Augen sich schließlich an das Halbdunkel gewöhnt hatten, das in der Hütte herrschte, entdeckte ich in der Ecke einen kleinen Spirituskocher und eine Flasche, halbvoll mit Brennflüssigkeit. Ein einigermaßen ebener Stein in der Mitte der Hütte diente als Tisch. Darauf lag aus einem Tuch zusammengeknotet ein kleines Bündel, zweifellos dasselbe, das ich durch das Teleskop auf dem Rücken des Jungen gesehen hatte. Ich entdeckte dann einen Laib Brot, eine Dose mit gekochter Zunge und zwei Dosen eingemachter Pfirsiche. Nachdem ich den Inhalt sorgfältig untersucht hatte, wollte ich das Bündel gerade wieder hinlegen, als ich plötzlich mit Herzklopfen entdeckte, daß unter dem Bündel ein Stück Papier lag, auf dem etwas geschrieben stand. Mit Staunenlas ich, was da in ungelenker Schrift mit Bleistift niedergekritzelt war: »Dr. Watson ist nach Coombe Tracay gefahren.« Eine volle Minute stand ich mit dem Papier in der Hand da und dachte über die Bedeutung dieser kurzen Botschaft nach. Ich war es also und nicht Sir Henry, der von diesem geheimnisvollen Mann beschattet wurde. Er war mir nicht selbst gefolgt, sondern hatte einen Agenten — vielleicht den Jungen — auf meine Spur gesetzt, und dies war sein Bericht. Möglicherweise war keiner meiner Schritte auf dem Moor unbeachtet geblieben. War da nicht immer das seltsame Gefühl gewesen, daß eine unsichtbare Macht mit unendlicher Sorgfalt und Geschicklichkeit ein feines Netz um uns wob, so fein, daß ich zunächst nicht einmal merkte, wie ich in seine Maschen geraten war?
    Wo ein Bericht war, konnten auch noch andere sein, und so suchte ich nach ihnen. Ich fand jedoch weder weitere Berichte, noch konnte ich irgend etwas entdecken, was mir einen Hinwies auf den Charakter oder die Absichten des Bewohners dieser seltsamen Behausung hätte geben können. Ich bemerkte einzig, daß der Mann sehr spartanisch lebte und äußerer

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