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Der Hund von Baskerville

Der Hund von Baskerville

Titel: Der Hund von Baskerville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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Komfort ihm offenbar nicht wichtig war. Ich sah zu dem schadhaften Dach hinauf und dachte an die heftigen Regenfälle der letzten Tage; dabei begriff ich, wie entschlossen und unerschütterlich er sein Ziel verfolgen mußte, daß er es in einer so unwirtlichen Behausung aushielt.
    War er unser erbitterter Feind oder gar unser Schutzengel? Ich schwor mir, die Hütte nicht eher zu verlassen, als bis ich es wußte.
    Draußen stand die Sonne tief, und im Westen loderte rot und golden ein Flammenmeer. Der letzte Schein der Abendsonne spiegelte sich als rötliche Flecken in den Wasserlachen des Großen Grimpener Sumpfes. Ich sah die beiden Türme von Schloß Baskerville und weiter in der Ferne ein wenig Rauch, der andeutete, wo sich das Dorf Grimpen befand. Dazwischen lag hinter dem Hügel das Haus der Stapletons. Alles war so lieblich, sanft und friedlich im goldenen Abendsonnenschein. Und doch teilte meine Seele den Frieden der Natur nicht, sondern zitterte in Ungewißheit und Angst vor dem Zusammentreffen, das jeden Augenblick näherrückte. Mit angespannten Nerven, aber fest entschlossen, saß ich in der finsteren Hütte und wartete geduldig auf die Rückkehr ihres Bewohners.
    Und dann hörte ich ihn schließlich. Von weither kam das scharfe Klicken eines Stiefels, der an einen Stein stößt. Und dann noch einmal und immer wieder. Es kam immer näher und näher. Ich zog mich in die dunkelste Ecke der Hütte zurück und entsicherte die Pistole in meiner Tasche. Ich wollte mich erst zeigen, wenn ich etwas von dem Fremden zu sehen bekommen hatte. Lange hörte ich nichts, der Mann war offenbar stehengeblieben. Dann kamen die Schritte wieder näher, und ein Schatten fiel quer über die Öffnung, die als Tür diente.
    »Es ist ein herrlicher Abend, mein lieber Watson«, sagte eine wohlbekannte Stimme. »Ich glaube, hier draußen ist es angenehmer als drinnen.«
     
     
    12. KAPITEL
    Der Tod auf dem Moor
     
    Einen Augenblick saß ich atemlos da und traute meinen eigenen Ohren nicht. Dann sammelte ich meine Sinne und fand meine Stimme wieder. Zugleich schien mir, als wäre mir in diesem Augenblick eine Riesenlast von Verantwortung von der Seele genommen. »Holmes!« rief ich, »Holmes!«
    »Kommen Sie heraus«, rief er, »und bitte, — vorsichtig mit dem Revolver.«
    Ich mußte mich bücken, um unter dem uralten Türsturz hindurch ins Freie zu gelangen, und da saß er — draußen auf einem Stein. In seinen grauen Augen glitzerte es vor Vergnügen, als er meine erstaunte Miene sah. Er wirkte ein bißchen dünn und mitgenommen, aber wach und klar, und sein Gesicht war von der Sonne gebräunt und vom Wind rauh geworden. In seinem Tweedanzug und der Tuchmütze sah er wie jeder andere Tourist aus. In seiner katzengleichen Liebe für persönliche Reinlichkeit hatte er es sogar fertiggebracht, daß sein Kinn so glattrasiert und sein Hemd so makellos war, als befände er sich in der Baker Street.
    »Noch nie in meinem Leben habe ich mich so gefreut, jemand zu treffen«, sagte ich, als ich ihm die Hand schüttelte.
    »Oder so gewundert, was?«
    »Ja, das muß ich zugeben.«
    »Die Überraschung war aber nicht nur auf Ihrer Seite, das versichere ich Ihnen. Ich hatte keine Ahnung, daß Sie meine Klause entdeckt hatten, und noch weniger, daß Sie da drinnen saßen, bis ich zwanzig Schritte von der Hütte entfernt war.«
    »Meine Fußspuren, nicht wahr?«
    »Nein, Watson, ich fürchte, daß ich Ihre Fußspuren von allen anderen Fußspuren dieser Welt nicht unterscheiden könnte. Aber wenn Sie ernsthaft vorhaben, mich an der Nase herumzuführen, müssen Sie ihre Zigarettenmarke wechseln. Denn wenn ich eine Zigarettenkippe mit Aufschrift >Bradley, Oxford Street< sehe, dann weiß ich, daß mein Freund Watson in der Nähe ist. Da liegt sie noch am Wegrand. Sie haben sie sicher in dem Augenblick fortgeworfen, als Sie die leere Hütte betraten.«
    »Genau so war es.«
    »Das hab' ich mir gedacht. Ja, und da ich also wußte, daß Sie sich liebenswürdigerweise dort eingenistet hatten, war es mir auch klar, daß Sie im Hinterhalt saßen, die Waffe in Reichweite, und auf die Heimkehr des Hüttenbewohners warteten. Haben Sie also wirklich gedacht, daß ich der Verbrecher wäre?«
    »Ich habe nicht gewußt, wer hier haust, aber ich war entschlossen, es herauszufinden.«
    »Ausgezeichnet, Watson! Und wie haben Sie meinen derzeitigen Wohnsitz herausgefunden? Haben Sie mich vielleicht in jener Nacht gesehen, als Sie dem Sträfling hinterher waren und

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