Der Hundeflüsterer - Thriller (German Edition)
Augenpaaren, die ihn panisch anstierten, die traurig, verloren oder aggressiv blickten. Dann flammte das Neonlicht auf und zeigte die traurige Wirklichkeit. Links und rechts des Gangs waren die Käfige, hinter deren Gittern die Todeskandidaten die Zähne fletschten, bellten, jaulten oder apathisch zitternd in der Ecke lagen und nicht wagten nach vorne zu kommen, aus Angst, wieder von den Menschen niedergeknüppelt zu werden. Andere Hunde hingegen hatten ihre Angst in Aggression verwandelt und sprangen wie verrückt gegen den Maschendrahtzaun, bis ihre Pfoten und Schnauzen ganz blutig waren, oder bissen wütend in den dünnen Stahldraht, bis ihnen das Blut aus den Lefzen tropfte.
David hatte schon viel erlebt, er hatte selbst Menschen getötet, hatte andere durch Bomben sterben sehen, aber trotzdem ging ihm das Schicksal dieser wehrlosen und zum Tode verurteilten Hunde unter die Haut.
Für diese Todeskandidaten gab es keine Hoffnung, sie spürten nur instinktiv, dass sie sterben würden. Der Tod hatte für sie keine Bedeutung, aber das Gefühl, dem Bösen ausgeliefert zu sein, brachte alle diese Hunde um den Verstand.
Immer wieder forschte David in sich hinein und versuchte zu ergründen, warum er den Menschen gegenüber kaum zu Gefühlen fähig war, ja nicht einmal Jane gegenüber hatte er offen seine Gefühle gezeigt, nur dann, als es zu spät war und er sie tot aus dem eingestürzten Gebäude getragen hatte, da hatte ihn das Gefühl übermannt und damals hatte er zum ersten Mal in seinem Leben geweint.
Sonja hatte wahrscheinlich recht, er schenkte seine ganze Liebe und Zuneigung den Hunden, da blieb für die Menschen nichts mehr übrig. Vielleicht war diese Kälte das Geheimnis seines Erfolgs in der Schattenwelt der Geheimdienste. Dieses emotionslose Durchführen einer Operation, so wie jetzt. Aber die Operation „Hundeflüsterer“ war etwas anderes, hier war das Ziel Rache für den Tod von Jane. Es war eine zutiefst emotionelle Operation, das musste sich David plötzlich eingestehen, als er in dem Gang stand, wo ihn die Hunde von beiden Seiten bestürmten, sie zu retten. Doch jetzt war keine Zeit für Gefühle, jetzt ging es darum, wehrlose Lebewesen zu retten und ihnen ein Zuhause zu bieten, damit auch sie noch eine lebenswerte Existenz führen konnten.
José, der Kellner aus der Bar Bosch, hatte ihm auf dem Zettel die Namen von fünf Personen aufgeschrieben, die sich bereit erklärt hatten, Hunde aus der Tötungsstation aufzunehmen und dafür zu sorgen, dass sie diese Horrorerlebnisse vergessen konnten. Diesen Menschen war David unendlich dankbar und er schätzte dieses Engagement sehr. Vor einem verdreckten Käfig blieb er stehen und sah durch das Gitter. Auf einer verlausten Decke stand eine Schuhschachtel und davor lag eine tote Hündin.
„Mach den Käfig auf!“, befahl David dem Wärter, der ihn in die Death Row geführt hatte.
„Aber der Hund ist doch schon tot“, sagte der Wärter ungerührt und versetzte der toten Hündin einen Tritt. „Willst du jetzt etwa auch schon einen toten Hund mitnehmen?“, fragte er und grinste David an.
„Was ist in der Schachtel?“, fragte David und ignorierte die Frage des Wärters. Als ihn der Mann verständnislos anstierte, wies er auf die verschimmelte Schuhschachtel in der Ecke.
„Schachtel? Ach, die meinst du!“ Der Wärter kratzte sich am Kopf. „Denke, da sind kleine Hunde drinnen, wenn sie die Ratten nicht bereits aufgefressen haben.“ Der Wärter zuckte mit den Schultern, schlurfte durch den Käfig und hielt David die Schachtel entgegen. „Sag ich doch! Mini-Hunde.“
David stieg vorsichtig über die tote Hündin hinweg und sah fünf winzige Welpen in der Schachtel, die vor Hunger laut quietschten.
„Ich brauche sofort ein wenig Milch! Sonst sterben die Kleinen!“, herrschte er den Wärter an, doch dieser schüttelte bloß seinen Kopf.
„Milch? Haben wir hier nicht. Wir trinken unseren Kaffee nur schwarz.“ Wieder setzte er sein widerliches Grinsen auf und David musste sich ziemlich zusammenreißen, um ihm nicht die Meinung zu sagen. Aber er wusste, dass er von diesen Wärtern abhängig war, dass dieser Wärter eine Entscheidung über Leben und Tod treffen konnte und deshalb fischte er einige Euroscheine aus der Gesäßtasche seiner Jeans und drückte sie dem Wärter in die Hand.
„Denke, das reicht für ein wenig Milch!“
„Ach, wenn ich so recht überlege, eine Flasche muss doch noch drüben im Büro sein“, sagte der Wärter und
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