Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören
wir einen Abend gemeinsam verbrachten, entschieden wir uns oft dafür, mit Benjamin auf der Couch zu sitzen und mit ihm einen Film zu sehen oder ein Videospiel zu spielen.
Mein Blick schweifte über die Bilderkakophonie an der Wand: schlanke, geheimnisvoll lächelnde Männer und üppige Frauen. Das Wandgemälde war eines Abends nach einer Versammlung des Künstlerverbands in der oberen Etage entstanden. Grünewald, Chatam, Högfeldt, Werkmäster und die anderen großen Modernisten hatten zusammengearbeitet. Simone wusste vermutlich genau, wie es entstanden war, und ich schmunzelte bei dem Gedanken, dass sie mir eine Vorlesung darüber halten würde, wie diese gefeierten Männer ihre Kolleginnen systematisch an den Rand gedrängt hatten.
Es war zwanzig nach sieben, als ich ein Martiniglas mit Wodka, einigen Spritzern Noilly Prat und einer langen Spirale aus Limettenschale bekam. Ich beschloss, noch etwas zu warten, bis ich Simone anrief, und versuchte, mich nicht zu ärgern.
Ich nippte an meinem Drink und machte mir allmählich Sorgen. Widerwillig zog ich mein Handy heraus, wählte Simones Nummer und wartete.
»Simone Bark.«
Sie klang zerstreut, es hallte in der Leitung.
»Sixan, ich bin’s. Wo bist du?«
»Erik? Ich bin in der Galerie. Wir streichen und …«
Es wurde still. Dann hörte ich Simone aufstöhnen.
»Oh nein. Nein. Du musst mir verzeihen, Erik. Ich habe es völlig vergessen. Es ist den ganzen Tag wahnsinnig viel los gewesen, der Klempner und der Elektriker und …«
»Dann bist du noch in der Galerie?«
Ich konnte die Enttäuschung in meiner Stimme nicht verbergen.
»Ja, ich bin über und über mit Gips und Farbe beschmiert …«
»Aber wir wollten doch essen gehen«, sagte ich matt.
»Ich weiß, Erik. Entschuldige. Ich hab es vergessen …«
»Jedenfalls haben wir einen schönen Tisch bekommen«, ergänzte ich sarkastisch.
»Es hat keinen Sinn, dass du auf mich wartest«, seufzte sie, und obwohl ich hörte, wie traurig sie war, konnte ich meine Wut nicht unterdrücken.
»Erik«, flüsterte sie ins Telefon. »Verzeih mir.«
»Ist schon okay«, sagte ich und beendete das Gespräch.
Es hatte keinen Sinn, woanders hinzugehen. Ich war hungrig und befand mich in einem Restaurant. Rasch winkte ich den Kellner zu mir und bestellte als Vorspeise einen Teller mit eingelegten Heringen und ein Bier, als Hauptspeise knusprig gebratene Entenbrust mit gewürfeltem Speck an einer Orangensauce und ein Glas Bordeaux und zum Abschluss einen Gruyère Alpage mit Honig.
»Sie können das andere Gedeck abräumen«, sagte ich dem Kellner, der mir einen mitleidigen Blick zuwarf, als er mir von dem tschechischen Bier einschenkte und Hering und Knäckebrot auf den Tisch stellte.
Ich hätte mir gewünscht, wenigstens meinen Notizblock dabeizuhaben, um beim Essen etwas Nützliches tun zu können.
Plötzlich klingelte mein Handy in der Jacketttasche, und die freudige Vorstellung, dass Simone sich womöglich einen Scherz mit mir erlaubt hatte und im nächsten Moment in der Tür stehen würde, tauchte auf und verschwand augenblicklich wieder wie ein Dunsthauch.
»Erik Maria Bark«, sagte ich und hörte, wie monoton meine Stimme klang.
»Hallo, hier ist Maja Swartling.«
»Maja, hallo«, sagte ich kurz angebunden.
»Ich wollte dich fragen … Oh, es ist ganz schön laut bei dir, passt es gerade nicht?«
»Ich sitze im KB «, antwortete ich. »Ich habe Geburtstag«, ergänzte ich, ohne zu wissen warum.
»Oh, na dann herzlichen Glückwunsch, es scheinen ja einige Leute an deinem Tisch zu sein.«
»Ich bin allein«, erwiderte ich einsilbig.
»Erik … es tut mir leid, dass ich versucht habe, dich zu verführen. Ich schäme mich zu Tode«, beteuerte sie leise.
Ich hörte, dass sie sich am anderen Ende der Leitung räusperte und neutral zu klingen versuchte, als sie weitersprach:
»Ich wollte dich fragen, ob du die Abschrift meines ersten Gesprächs mit dir lesen möchtest. Sie ist fertig, und ich möchte sie bei meinem Betreuer einreichen, aber wenn du sie vorher durchsehen willst, dann …«
»Leg sie mir doch bitte in mein Fach«, sagte ich.
Wir verabschiedeten uns, und ich leerte mein Bierglas, das der Kellner mitnahm, um praktisch sofort mit der Entenbrust und dem Rotwein zurückzukehren.
Ich aß, erfüllt von einer traurigen Leere, und war mir der Mechanik des Kauens und Schluckens und des gedämpften Kratzens meines Bestecks auf dem Teller übertrieben bewusst. Ich trank mein
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